Banner_10-2015klein

Nova Scotia

Wir starten in dem kleinen Ferienort Baddeck auf Cape Breton Island in den neuen Monat und beinahe hätten wir dies mit einer kräftigen Finanzspritze für die Reisekasse getan. Doch leider haben wir nicht das richtige Los für die 8.000 Dollar im Jackpot des örtlichen Veteranenclubs gekauft. Egal, wir haben auch so einen sehr netten Lotterie-Abend im Clubhaus der Canadian Legion und werden von unseren Tischnachbarn, Marcella, Lloyd, Shirley und Hazel, allesamt im Seniorenalter, anschließend in die nächste Musikkneipe mitgeschleppt. Dabei hören wir, dass am nächsten Tag ein paar Ortschaften weiter ein sensationeller Jackpot von über einer Million Dollar ausgespielt wird…

Nach drei Nächten, die wir prima am Yachthafen verbringen, ist der regennasse Hurrikan-Ausläufer durchgezogen und wir machen uns auf den Weg. Wir verlassen zügig Cape Breton Island und fahren ein paar Tage entlang der Nordküste von Nova Scotia. Den Süden haben wir ja bereits im Juli besucht, der Norden zeigt sich nun ganz anders. Hier überwiegen Ackerbau und Viehzucht, die Felder reichen hinunter bis ans Wasser und der Tourismus spielt bei weitem nicht die Rolle wie beispielsweise an der Lighthouseroute im Süden. Sehenswürdigkeiten gibt es hier an der flachen Küste nicht in Form von Leuchttürmen, sondern in Gestalt alter Getreidemühlen oder Ahornsirupfarmen.

Eine davon, die Sugar Moon Farm, schauen wir uns an, da jedoch die Erntezeit für den aus den Ahornstämmen gewonnenen Saft im Frühjahr ist, können wir die Produktionsstätte leider nicht in Betrieb sehen. Aber das Ergebnis probieren können wir, zusammen mit leckeren Pancakes bis zum Abwinken.

Die Orte an der Küste haben Namen wie Pictou, Tatamagouche oder Pugwash und zeigen sich so nett und malerisch, wie sie klingen. Kleine alte bunte Holzhäuser bilden den Rahmen, in dem die Orte ihre Sehenswürdigkeiten präsentieren. In Pictou liegt der Nachbau eines historischen Dreimasters, in Tatamagouche wurden alte Eisenbahnwaggons nebst Bahnhof zum Hotel umgebaut und Pugwash hat als Schauplatz der ersten Friedenskonferenz während des Kalten Krieges Bedeutung erlangt.

Auf einer Halbinsel machen wir einen Zwischenhalt auf einem Weingut, das man hier im Norden nicht unbedingt vermuten würde.

New Brunswick

Weiter geht die Reise in New Brunswick, genauer gesagt in dessen Hauptstadt Fredericton. Die Stadt liegt am St. John River, dessen Ufer an mehreren Stellen durch kleine Autofähren verbunden sind. In Gagetown setzen wir mit einer solchen über und bleiben eine Nacht in dem hübschen Künstlernest, bevor wir uns in den Hauptstadttrubel stürzen.

Wobei, „Trubel“ ist vielleicht zu viel gesagt, denn obwohl Fredericton zu den drei größten Städten in der Provinz zählt, ist die Innenstadt übersichtlich und gemächlich. Historische Bauten mischen sich mit kleinen Geschäften und Restaurants, bereits nach ein paar Querstraßen läuft man wieder durch Wohnviertel mit zum Teil sehr schönen alten Häusern.

In den Randbezirken sammeln sich, wie in jeder amerikanischen Stadt, Shoppingzentren und Gewerbegebiete. Eines davon suchen wir auf, denn Felix braucht mal wieder etwas Zuwendung. Wir wollen an der Vorderachse die Spur einstellen lassen, da nach wie vor die Reifenprofile zu schnell wegradieren. Während Stephan sich die Prozedur in der Werkstatt anschaut, sitze ich stundenlang im Warteraum und gucke Baseball. Je mehr ich sehe, desto weniger verstehe ich. Ein Mitarbeiter versucht, mir Nachhilfe in Sachen Spielregeln zu geben, leider erfolglos. Dafür ist der Nachmittag für Felix ein voller Erfolg, seitdem läuft er samtweich.

Von Fredericton aus fahren wir den River Valley Scenic Drive, immer am Ufer des St. John River, entlang, mit mal mehr, mal weniger Aussicht auf das Flusstal und die umgebenden Wälder, die langsam in die Herbstfärbung starten. Doch leider lässt die Strahlkraft des Laubes zu wünschen übrig, denn gleichzeitig setzt das Herbstwetter ein. Gegen Regen und graue Wolken ist jeder noch so prachtvolle Ahornbaum machtlos.

Auf dem Scenic Drive stehen Fluss und Aussicht im Vordergrund, spezielle Sehenswürdigkeiten finden sich nur vereinzelt. In Hartland steht mit fast 400 Metern Spannweite die längste komplett überdachte Holzbrücke der Welt. Überdachte Brücken sind in den Atlantikprovinzen oft anzutreffen und haben einen ganz pragmatischen Hintergrund. Ihre Lebensdauer erhöht sich unter dem vor Regen und Schnee schützenden Dach um ein Vielfaches.

Mitten in Grand Falls hat der St. John River eine tiefe Schlucht in den Fels geschnitten. Laut Informationstafel donnern im Frühjahr während der Schneeschmelze Wassermassen in den Canyon, die es angeblich auf rd. 90 % der Wassermenge der Niagarafälle bringen, wir können es kaum glauben. In der übrigen Zeit wird der Wasserdurchfluss durch ein Kraftwerk arg begrenzt, aber die Schlucht selbst ist auch sehenswert.

Außerdem probieren wir in Grand Falls zum ersten Mal das „Nationalgericht“ namens „Poutine“, Pommes Frites mit brauner Bratensoße und schmelzenden Käsewürfeln. Sieht gewöhnungsbedürftig aus, schmeckt aber wirklich gut.

Schon verlassen wir New Brunswick wieder und machen uns geradewegs auf nach Rivière-du-Loup am St. Lorenz Strom in der Provinz Québec.

Québec

Das Wetter bleibt herbstlich feucht und grau, so halten wir uns nicht lange am St. Lorenz auf, sondern fahren zügig Richtung Québec Stadt. Flaches Farmland breitet sich links und rechts des Stroms aus, der Blick schweift ungestört über die Ebene, bleibt allenfalls an den typischen Getreidesilos der zahllosen Bauernhöfe hängen, hohe schlanke Türme mit Kugelhaube. In der Ferne erheben sich bewaldete Mittelgebirgszüge, also alles in allem eine nette, aber nicht unbedingt spektakuläre Gegend.

So fällt die Entscheidung nicht schwer, den einzigen in nächster Zeit als sonnig angekündigten Tag zu nutzen, um Québec Stadt zu besuchen. In Lévis auf der gegenüberliegenden Flussseite verfahren wir uns etwas, finden nicht die gesuchte Brücke aber dafür durch Zufall die kleine Fähre. Felix muss leider in Lévis bleiben, da zu groß für das Schiff, aber praktischer geht es für uns nicht. Für ein paar Dollar setzen wir über und landen mitten in der Altstadt, tolles Panorama inklusive.

Kaum in Québec angekommen, stehen wir inmitten von Reisegruppen. Jetzt im Herbst, zur Zeit des Indian Summer, ist wohl Hochsaison, unter anderem liegen zwei große Kreuzfahrtschiffe im Hafen.

Das Wahrzeichen von Québec, das Hotel Château Frontenac, thront hoch über der Stadt, davor breitet sich die großzügige Terrasse Dufferin aus, von der wir einen schönen Blick über den St. Lorenz Strom haben. Und zum Felix, der auf der anderen Flussseite auf uns wartet.

Aber da muss er sich noch etwas gedulden, wir genießen den sonnigen warmen Tag ausgiebig, bummeln durch die von Stadtmauern eingesäumte Altstadt, laufen im Zickzack auf den Wällen der Zitadelle und schlendern durch die ältesten Gassen am Flussufer unterhalb der Altstadt, bis die Sonne untergeht und die Lichter eine ganz eigene Atmosphäre schaffen.

Auf dem Weg von Québec nach Montréal wollen wir während eines Abstechers in die Berge ein paar Tage Indian Summer pur genießen. Wer jetzt Massen an Bildern von leuchtend bunten Wäldern erwartet: sorry, das wird nichts. Denn auch hier macht uns das regnerische Herbstwetter leider einen Strich durch die Rechnung, perfektes Timing so was.

Dabei starten die Wälder gerade richtig durch. Wenn die Sonne das Laub zum Leuchten bringt, ist es eine wahre Augenweide, auch wenn das Wort abgedroschen klingen mag. Die Farbvielfalt ist grandios und reicht von knalligem Gelb über leuchtendes Orange und flammendes Rot bis hin zu tiefem Purpur und Violett. In erster Linie haben Birken und Ahornbäume, darunter Arten, die es in Europa lange nicht mehr gibt, ihren Anteil daran.

Ein paar Impressionen gibt es hier zu sehen:

Für Montréal haben wir von unseren Reisebekannten den guten Tipp bekommen, am Casino zu parken und so wohnen wir die nächsten Tage ruhig auf einer der der Stadt vorgelagerten Inseln im St. Lorenz Strom.

Der Platz ist perfekt: Das Parken ist kostenfrei, das Casino hat rund um die Uhr geöffnet und spendiert Gratisgetränke und Livemusik, die Bushaltestelle ist direkt vor der Haustüre und als Sahnehäubchen bekommen wir „Neukunden-Gastgeschenke“: Bei den ersten vier Casinobesuchen werden uns zweien insgesamt 100 Dollar Startguthaben geschenkt, das zum Glück nicht verspielt werden muss. Der erste Stellplatz, bei dem wir nicht nur kein Geld ausgeben, sondern sogar noch welches bekommen! Hatten wir auch noch nicht. Da muss man sich auch mal nach einem langen Tag in der Stadt zum Casinobesuch aufraffen können.

Und die Tage in der Stadt sind lang, schließlich gibt es viel zu sehen. Montréal ist ein wahrer Mix aus Alt und Neu, Groß und Klein, Oben und Unten, Lebenslust und Sportsgeist. Direkt am Ufer des St. Lorenz Stroms und dem modern gestalteten alten Hafen bummeln wir durch die Altstadtgassen mit ihren Kirchen, Plätzen und Läden. Hinter der Altstadt ragen die modernen Glas- und Betonfassaden der Wolkenkratzer empor, und während wir in den Häuserschluchten spazieren, bemerken wir kaum etwas von der „Unterwelt“, die sich durch die Innenstadt zieht. Als Schutz vor den strengen Wintern ist eine ganze Stadt unter der Stadt entstanden, verbunden durch ewig lange unterirdische Gänge und Tunnel.

Etwas außerhalb der Innenstadt besuchen wir die Olympiastätten, die uns mit dem verwitternden Charme der 70er Jahre aber nicht unbedingt begeistern. Auch den Ausblick vom Olympiaturm sparen wir uns, dazu ist die Skyline zu weit entfernt. Stattdessen fahren wir auf den „Hausberg“ der Stadt, den Mont Royal, und haben eine wunderbare Aussicht auf die direkt zu Füßen liegende Alt- und Neustadt.

Zum Abschluss unseres Montréal-Besuches machen wir Felix eine besondere Freude. Das Casino liegt direkt an der Formel 1-Rennstrecke, auf die er die ganze Zeit über sehnsüchtig geblickt hat. Am letzten Tag dann darf er stolz ein paar Runden auf dem edlen Asphalt drehen, ist nur etwas verdutzt, denn überall stehen „Tempo 30“-Schilder… Das hat er sich irgendwie etwas anders vorgestellt. Aber, wie ich später höre, geben meine beiden Jungs – ohne Frau an Bord – dann doch mal etwas mehr Gas. Ergebnis: Rundenrekord in der Kategorie „Unimog“…

Wer den sichtbaren Beweis dafür braucht, bitte, hier ist er:

Ontario

Nicht weit von Montréal entfernt erreichen wir mit Ottawa die kleine Hauptstadt des großen Kanadas. Überall Baustellen, kein wichtiges Gebäude, das nicht hinter Gerüsten verschwindet, keine Straße, die nicht aufgerissen oder saniert wird. Der Rideau-Kanal liegt fast trocken, da die historische Schleusenanlage restauriert wird, die Haupteinkaufsstraße wirkt mitten in der Woche wie ausgestorben, in den alten Markthallen ist wenigstens etwas Betrieb.

Aber nicht nur die Hauptstadt ist im Umbau, auch die Regierung befindet sich im Wechsel: Auf einer Führung durch das Parlamentsgebäude sehen wir den neuen Arbeitsplatz des gerade am Vortag frisch gewählten Premierministers.

Nach zwei Tagen verlassen wir Ottawa wieder und begeben uns auf die Weiterreise Richtung Toronto.

Der Weg führt uns zunächst ins Land der tausend Inseln am St. Lorenz Strom. Kleine hübsche Städtchen säumen das Ufer, im Wasser tummeln sich fast zweitausend Inseln, Inselchen und Felsen, von denen wir von der Panoramastraße aus gerade mal einen Hauch sehen können. Kaum ein Eiland, auf dem nicht mindestens ein Häuschen errichtet ist. Nicht auszumalen, was hier im Sommer für ein Betrieb sein muss, wenn die idyllische Inselwelt durch Motorboote und Ausflugsschiffe unsicher gemacht wird.

Weiter geht es am Lake Ontario entlang, bis irgendwann die zahllosen Vororte von Toronto beginnen und dutzende Kilometer später im Dunst die Skyline der Großstadt auftaucht. Auch in dieser Stadt haben wir Glück und finden durch Zufall einen schönen Übernachtungsplatz in Innenstadtnähe. Am Ende des vorgelagerten Hafens entdecken wir ein kleines Waldstück mit Strand, auf dessen Parkplatz wir uns einquartieren. Langweilig ist es uns dort die ganze Zeit nicht: Von morgens bis abends werden Wald und Strand von Vierbeinern erobert, entweder in Begleitung ihrer Herrchen und Frauchen oder im Rudel an der Leine eines für Amerika typischen „Dogwalker“, also eines professionellen Gassigehers.

Vom (Hunde-)Platz im Grünen haben wir es mit den Fahrrädern nicht weit bis in die Innenstadt. Wir sind überrascht, dass diese Großstadt über ein richtig gut ausgebautes Radwegenetz verfügt.

Über all den Wolkenkratzern und Hochhäusern erhebt sich der riesige 533 Meter hohe CN-Tower. Klar, dass wir da hinauf müssen! Und dann hat Stephan Mühe, mich wieder hinunter zu bekommen… Denn nicht nur die Fernsicht in rund 350 Metern Höhe ist toll, sondern auch die Möglichkeit, diese 350 Meter durch einen Glasboden senkrecht in die Tiefe zu schauen. Ein verrücktes Gefühl. Nicht jeder teilt meine Begeisterung auf Anhieb, viele Besucher betreten doch recht zögerlich die Glasscheiben. Aber die Scheiben halten, und so kehren wir unversehrt wieder auf den Boden zurück, um die Stadt weiter zu erkunden.

Unvermeidlich ist das Chinatown-Viertel, das mit seinem Schriftzeichen-Schilderwald und seinen Warenauslagen Abwechslung bringt. Ganz in der Nähe stoßen wir auf ein kunterbuntes Viertel mit morbidem Charme und buntgemischtem Publikum, Kensington Market.

Um den St. Lawrence Market, die alte Markthalle, gruppiert sich das, was von der Altstadt übrig geblieben ist, im Distillery Historic District ist noch das meiste alte Backsteingemäuer verblieben. Dort, wo das moderne Rathaus steht, ist das Herz der Stadt, wie an dem großen Schriftzug TORONTO unschwer zu erkennen, und mit den Wolkenkratzern des Finanzdistrikts ist auch das finanzielle Herz nicht weit davon entfernt.

Am Ufer des Lake Ontario hat Toronto es geschafft, eine schöne Waterfront zu errichten, mit Bootshafen, Promenade und Sonnenschirmen. Und, wie von fast jeder Ecke der Innenstadt aus, mit Blick auf den CN-Tower.

Ende Oktober suchen wir ein paar Tage Erholung von unserem Städtemarathon, der uns vom charmanten Québec bis in die geschäftige Metropole Toronto geführt hat. Und wo kann man die besser finden, als auf einem kleinen Campingplatz auf dem Land? Einen Haken hat die Sache allerdings: für Halloween ist dies wahrlich nicht der geeignete Platz. So gibt es statt einer gruseligen Fete einen schaurigen Abend in der Waschküche des Campingplatzes… Na ja, Reisen ist eben nicht nur Party, sondern auch Alltagsleben…

Reiseroute im Oktober 2015 zum Download:
Reiseroute_Oktober2015