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Montana

Nach einem unterhaltsamen Wochenende beim Rodeo in Helena verlassen wir Montanas Hauptstadt wieder und machen uns weiter auf die Reise Richtung Norden. Nächstes großes Ziel ist der Glacier National Park an der Grenze zu Kanada, aber auch auf dem Weg dorthin finden wir immer wieder Fleckchen, die einen Halt wert sind.

Der Name „National Bison Range“ zum Beispiel klingt vielversprechend und so machen wir einen Abstecher in dieses Schutzgebiet, in der Hoffnung, hier noch näher an die Tiere heran zu kommen, als bereits im Yellowstone National Park. Gleich hinter dem Besucherzentrum sichten wir die erste Bisonherde, die sich nicht im Mindesten durch vorbeifahrende Autos aus der Ruhe bringen lässt. Prima, das geht ja schon gut los, hier scheint es wirklich von den Urviechern nur zu wimmeln. Wir machen uns optimistisch auf den Weg. Kurvenreiche Piste, hügelige Prärielandschaft, Aussicht satt, nur mit einer Sache hapert es: Wo stecken all die anderen Bisons? Eine Handvoll verstreuter Exemplare in weiter Ferne, mehr bekommen wir auf der gesamten Rundfahrt nicht mehr zu Gesicht. Na, was soll es, war trotzdem schön…

Und weiter geht es. Zunächst zum langgezogenen Flathead Lake, dessen Ufer von unzähligen Süßkirsch-Plantagen gesäumt ist. Die Saison ist zwar ziemlich vorbei, aber wir ergattern an einem der Obststände am Straßenrand noch eine große Tüte der Früchtchen, um uns die Fahrt am verregneten, grauen See entlang zu versüßen. In Bigfork am Nordende des Flathead Lake wird es endlich wieder nett und bunt, wie sich das für einen Künstlerort eben gehört.

Inzwischen sind wir schon nah an den Glacier National Park heran gekommen, aber da das Wetter gerade ziemlich unbeständig ist, übereilen wir den Parkbesuch nicht. Stattdessen besuchen wir Bert und Leah in einem bei Amerikanern beliebten Skiort namens Whitefish, in dem auch jetzt im Sommer richtig was los ist. Denn dort, wo man im Winter auf zwei Brettern die Berge hinunter saust, flitzen jetzt die Mountainbiker auf zwei Rädern herum.

Uns verschlägt es hier hin, weil wir der Einladung von Bert und Leah gerne folgen. Vor ein paar Wochen sind wir uns in der Nähe des Yellowstone National Park über den Weg gefahren, wir mit unserem Unimog, die beiden mit ihrem Earthroamer. Dadurch hatten wir gleich ein gemeinsames Thema, denn sowohl die beiden als auch wir fallen mit unseren nicht alltäglichen autarken Allradreisemobilen auf amerikanischen Straßen auf. So verbringen wir einen gemütlichen Abend zu viert auf der Veranda, erzählen von unseren Reisen und fachsimpeln über unsere Fahrzeuge.

Dann geht es endlich in den Glacier National Park. Wenn es auch für den Schutz der alpinen Gletscher inzwischen fast zu spät ist – bis auf wenige Reste sind die Eiskappen mittlerweile weggeschmolzen – schützt der Nationalpark an der Grenze zu Kanada immerhin noch das, was die Gletscher mit ihrer immensen Kraft geschaffen haben: eine hochalpine Landschaft mit schroffen Gipfeln und von den Eismassen tief ausgewaschenen Tälern. Das riesige Gebiet in den Rocky Mountains ist zum allergrößten Teil Wildnis, aber einzelne Bereiche sind für Besucher erschlossen.

Herzstück ist die Going-to-the-Sun-Road, die einmal quer von West nach Ost durch den ganzen Nationalpark führt und tolles Hochgebirgspanorama bietet. Leider ist die schmale, mit Felsüberhängen gespickte Straße für große Fahrzeuge wie Felix tabu, aber ein Shuttlebus bringt uns immerhin bis zum Logan Pass, auf ungefähr der Hälfte der Strecke gelegen, und auch wieder zurück.

Auf dem Pass angekommen, nehmen wir an der Völkerwanderung zum Hidden Lake Overlook teil. Unglaublich, wie viele Leute hier unterwegs sind. Aber der Weg ist wirklich schön und ein Highlight sind sicherlich neben den um uns herum aufragenden Gipfeln die Schneeziegen, die uns Zweibeiner bisweilen begleiten. Manche Wanderer sagen, die Tiere suchen die Nähe zu den Menschen als Schutz vor Bären und Konsorten, andere meinen, es sind einfach zu viele Menschen hier oben unterwegs, so dass die Tiere als negativen Nebeneffekt die Scheu vor ihnen verlieren, schwer zu sagen, wer richtig liegt.

Wir sind froh über den Shuttleservice, aber für mich ist die Fahrt nicht leicht zu ertragen, ich bin quasi auf Entzug: Der Bus fährt an allen schönen Aussichtspunkten vorbei, ständig zuckt es im rechten Zeigefinger, doch keine Chance für den Kameraeinsatz… Stephan hat ein Einsehen, dass das so nicht geht, und wir beschließen, die Panoramastraße noch einmal auf eigene Faust in Angriff zu nehmen. Abhilfe schafft ein kleiner Mietwagen, mit dem wir ein paar Tage später die gesamte Going-to-the-Sun-Road hin und zurück abfahren. Alles östlich des Logan Pass ist für uns sowieso noch Neuland und auf der Westseite können wir nun endlich an all den Aussichtspunkten halten, die der Shuttlebus so schändlich ignoriert hat.

An der Westseite des Glacier National Park ist der abgelegene und weniger frequentierte Bowman Lake, der malerisch vor großer Bergkulisse liegt, unser nächstes Ziel. Im Osten des Parks locken die bekannteren Gebiete Two Medicine und Many Glacier mit weiteren Gletscherseen vor Postkarten-Gipfelpanoramen.

In Two Medicine lassen wir es ruhig angehen: wandern, faulenzen, auf den See gucken, einfach Urlaub vom Reisen machen. In Many Glacier werde ich wieder sportlicher, auf einer von einem Ranger geführten Ganztagswanderung ist der wunderbar von hohen Felswänden eingerahmte Iceberg Lake, auf dem auch jetzt Mitte August noch kleine Eisschollen schwimmen, Lohn für den acht Kilometer langen Aufstieg.

Nach einer Rast am See bekommt unser Ranger pünktlich zum Abstieg ins Tal per Funk mitgeteilt, dass inzwischen der komplette Wanderweg wegen Bärenalarm gesperrt ist. Insgesamt sind entlang des Weges vier Bären gesichtet worden, alle Achtung. Die Wandergruppe geht geschlossen zurück, sammelt unterwegs noch vereinzelt Wanderer ein und passiert das Gebiet, in dem die Bären sich vermutlich noch aufhalten, mit mulmigem Gefühl und im Konvoi. Ich bin doppelt froh, zum einen, in der Gruppe unterwegs zu sein, und zum anderen, noch die ganze Wanderung bis zum Iceberg Lake geschafft und somit das Ziel erreicht zu haben. Andere Wanderer haben da Pech und werden rigoros von den nun am Wegesrand postierten Rangern zur Umkehr aufgefordert.

Ob wir einen Bären gesehen haben auf dem Rückweg? Nee, keinen einzigen, nicht mal in der Ferne. Aber ehrlich gesagt, so gerne ich einen Bären zu Gesicht bekommen würde, es muss nicht unbedingt auf einem engen Wanderweg mitten im Gebüsch sein…

Am Abend bekomme ich dann doch noch meine tierische Begegnung. Vor den Toren des Nationalparks haben wir einen idyllischen Übernachtungsplatz gefunden, ein Stückchen Wiese am gurgelnden Wildbach, und sitzen gemütlich beim Abendessen vor dem Felix. Da blinzelt Stephan plötzlich in die Dämmerung mit den Worten: „Wir kriegen Besuch, da kommt eine Kuh“. Davon gibt es hier einige, das haben wir schon auf dem Weg hierher bemerkt. Doch in diesem Fall hat Stephan nur halb recht: Ein paar Augenblicke später steht tatsächlich eine Kuh neben unserem Abendbrottisch, genauer gesagt, eine ELCH-Kuh. Schon kommen wir in Bedrängnis. Abendbrot sichern? Den Rückzug antreten? Fotoapparat holen? Letzteres siegt.

Hoffen wir, dass dies nicht die letzte Begegnung mit „Wildlife“ bleiben wird… Die Chancen stehen gut. Denn morgen, am 18.08., fahren wir nach Kanada. Dort wimmelt es ja bekanntlich von wildem Leben 🙂

Neun abwechslungsreiche, spannende Monate in den USA liegen nun hinter uns, die Äcker und Felder im Osten, die Golfküste, die kargen Wüsten entlang der Grenze zu Mexiko, der Pazifik, die roten Felslandschaften und sattgrünen Berge im Westen. Jetzt geht unsere Reise im Nachbarland weiter. Wir freuen uns schon!