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Alberta

Kanada empfängt uns heute genauso wie im Jahr zuvor in Halifax: mit Regen. Grau, nass, kalt, da hilft auch nicht das freundliche Willkommensschild der Rosenprovinz Alberta. Immerhin ist die Einreise am Chief Mountain kurz und schmerzlos. Bei dem Wetter hat der Grenzbeamte wohl keine besondere Lust, uns und unser Fahrzeug zu inspizieren und nach ein paar Fragen aus seinem Grenzhäuschen heraus landet der Visumstempel in unseren Reisepässen. Was wollen wir mehr.

Na ja, ein bisschen Sonne wäre nicht schlecht. Auf der Fahrt entlang der Rocky Mountains Richtung Waterton Lakes National Park sehen wir nämlich nicht die Spur von gletscherbedeckten Gipfeln. Und auch im Nationalpark offenbart sich uns nichts vom berühmten Postkartenblick über den von schroffen Bergen gesäumten Upper Waterton Lake.

Doch am nächsten Tag reicht ein Blick aus dem Fenster und die Welt ist wieder in Ordnung. Die Sonne strahlt, also nichts wie raus, die kleine kanadische Schwester des großen Glacier National Park kennenlernen. Das Wetter spielt erfreulicherweise in den nächsten Tagen mit.

Der Waterton Lakes National Park ist zwar klein, aber trotzdem „oho!“. Hauptanziehungspunkt ist ohne Zweifel der langgezogene Upper Waterton Lake, an dessen Ufer der kleine Ort Waterton alles bereit hält, was Besucher wollen.

Nur zwei Stichstraßen führen ins Hinterland. Der Akamina Parkway ist zurzeit leider Baustelle und daher für die Öffentlichkeit gesperrt, aber ein Shuttlebus hilft aus und bringt Wanderer bis zum Cameron Lake am Ende der Straße. Von dort aus arbeiten wir uns über nicht enden wollende Serpentinen den Berg hinauf bis zum Summit Lake, aber der „Gipfelsee“ entschädigt auf jeden Fall.

Der Red Rock Parkway schlängelt sich durch ein weiteres schönes Tal, bis er an einer leuchtend roten Schlucht endet, die man durch- oder umwandern kann. Irgendwie fühlen wir uns kurz an Utah erinnert…

Aber zurück am Upper Waterton Lake besteht kein Zweifel daran, dass wir uns mitten in den Rocky Mountains befinden. Der anstrengende, steile Aufstieg auf den Bear´s Hump, den Bärenbuckel, ist ein Muss: Unter uns breitet sich der Ort und der gesamte See aus, eingerahmt von den hohen Gipfeln der Rockies, die sich Richtung Süden irgendwo auf US-Seite im Glacier National Park verlieren. Ein wunderschönes Panorama.

Das Bergpanorama endet abrupt, als wir den Nationalpark wieder verlassen. Es ist beeindruckend, wie urplötzlich die hohen Gipfel im Rückspiegel verschwinden und sich vor uns die unendliche Prärie ausbreitet. Unser Weg führt weiter nach Norden bis Pincher Creek und dann über den Crowsnest Highway Richtung Westen, wieder rein in die Berge. Und am Crowsnest Pass rein in die Province British Columbia.

British Columbia

Die ganze Gegend ist gespickt mit ehemaligen Bergwerkssiedlungen, in denen noch das ein oder andere Überbleibsel aus vergangenen Zeiten zu entdecken ist. Manche Überbleibsel fallen auch eine Nummer größer aus, Felix fühlt sich ganz klein neben dem Terex Titan, der ihn ohne Mühe Huckepack nehmen könnte. Während seines Arbeitslebens war der Titan schließlich der größte Truck der Welt. Die kleine Stadt Fernie gefällt uns von den Orten, die wir passieren, am besten, hier macht sich noch ein bisschen Wildwest-Charme zwischen den Berggipfeln breit.

Noch mehr „gute alte Zeit“ finden wir in Fort Steele, bestes Beispiel für das Schicksal zahlreicher Ortschaften aus den Anfängen des „weißen“ Kanadas. Aus einem einsamen Außenposten der weißen Siedler entstand während des Goldrausches schnell eine florierende Stadt, doch nur wenige Jahre später wird eine Eisenbahnlinie gebaut, die einen großen Bogen um den Ort macht und ihn quasi vom Fortschritt abhängt, und aus Fort Steele wird ganz schnell eine Geisterstadt. Heute ist Fort Steele ein liebevoll restauriertes lebendes Museum: Der Schmied schmiedet, der Lehrer lehrt, der Bäcker backt, alles in Originalgebäuden und in zeitgenössischer Kleidung. Und das Pferd fährt. Die Kutsche natürlich…

In Cranbrook sind wir mal wieder auf Besuch. Diesmal bei Robert, der uns in Montana auf einem Walmart-Parkplatz ansprach und uns nicht nur seine Adresse gab, damit wir ihn besuchen können, sondern auch immer wieder mal schrieb, um zu erfahren, wo wir stecken, damit wir auch ja nicht an Cranbrook einfach so vorbei fahren. Wie könnten wir!

Weiter geht die Reise über den Crowsnest Highway nach Westen, bis wir den Kootenay Lake erreichen. Die Fahrtrichtung ändert sich, jetzt weist der Pfeil des Navigationsgerätes nach Norden, und die Aussicht ändert sich, zu dem satten Grün der dichten Wälder gesellt sich das tiefe Blau des ewig langen Sees.

Irgendwo auf halber Länge wartet „Nordamerikas längste Gratis-Fährfahrt“ auf uns. Kaum zu glauben, aber es gibt in Kanada zahlreiche Gegenden, in denen der Betrieb einer Fährverbindung über Seen und Flüsse günstiger als der Bau einer Brücke ist! Da die Fährlinien also wortwörtlich eine Wasserstraße darstellen und unverzichtbar zum Verkehrsnetz gehören, sind sie kostenlos, ob es sich um ein kurzes Übersetzen oder, wie hier, um eine mehr als halbstündige „Seefahrt“ handelt.

Auf der anderen Seite des Sees angekommen, machen wir einen Abstecher in das sogenannte „viktorianische Schatzkästlein“ namens Nelson, bevor wir in Kaslo landen, das zwar viel kleiner aber mindestens ebenso nett anzusehen ist.

Von Kaslo aus schlängeln wir uns einmal quer durch die Selkirk Mountains. Außer ganz viel Einsamkeit gibt es hier hauptsächlich eine Geisterstadt zu sehen, die vor langer Zeit einige Tausend Bergleute und Glücksritter beherbergt hat, bevor sie vor rund hundert Jahren abgebrannt ist und ungefähr 50 Jahre später durch ein Hochwasser zerstört wurde. Jetzt muss man sehr viel Phantasie aufbringen, um sich die einstige Größe und den Wohlstand der Erzstadt Sandon vorzustellen. Viel ist nicht davon übrig.

Bald liegt der nächste große Stausee vor uns und wir folgen der Uferlinie des Upper Arrow Lake auf kurviger Landstraße. Wenn die Straßen schon hier kurz hinter der US-amerikanischen Grenze, also im am dichtesten besiedelten Gebiet Kanadas, so leer sind, wie wird es dann erst im hohen Norden werden?

Eine weitere kurze Fährfahrt bringt uns auf die Westseite des Upper Arrow Lake. Die umliegenden Berge bieten diesmal eine düster-stimmungsvolle Kulisse, so langsam wird das Wetter unbeständiger, der Herbst naht. Es wird Zeit, dass wir uns auf den Weg in die nächsten kanadischen Nationalparks machen. Im Grunde ist dies die richtige Jahreszeit. Die Parks sind nicht mehr so überfüllt wie zur Hauptsaison und das ungemütliche, nasskalte Herbstwetter lässt hoffentlich noch etwas auf sich warten.

Also legen wir die letzten Kilometer am Upper Arrow Lake entlang zügig zurück und erreichen den hübschen Ort Revelstoke. Hier beginnen wir unsere Tour durch die zahlreichen Nationalparks mit klangvollen Namen wie Mount Revelstoke und Glacier, Yoho, Banff und Jasper. Im nächsten Monat.