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Kalifornien

Der April beginnt gleich mit Arbeit, wir haben Probleme mit den Dichtringen an der Hinterachse. Stephan macht über ein paar Ecken per Internet einen Unimog-Kenner in San Diego ausfindig, der uns vielleicht bei der Problemlösung unterstützen kann.

Als wir Bill kontaktieren, lädt er uns sofort zu sich nach Hause ein, damit die beiden Männer einmal gemeinsam unter den Felix abtauchen können. Und aus dem „mal kurz vorbeischauen“ werden schließlich zehn schöne Tage bei Bill und seiner Kathleen.

Wir bauen unser Gästezimmer namens Felix im Wendehammer vor ihrem Haus auf und brauchen unseren Unimog während der nächsten Tage nicht bewegen, denn die beiden stellen uns für die Stadterkundungen eines ihrer Autos zur Verfügung. Die Abende verbringen wir zu viert am Esstisch, manchmal sind auch Freunde von den beiden mit von der Partie. Wir versuchen, uns so gut es geht zu revanchieren, laden die beiden mal zum Essen ein oder bekochen eine größere Runde mit Rinderrouladen rheinischer Art und einem „breadthing“ (Anm. d. R.: dt. „Brotding“, korrekte Bezeichnung: Serviettenknödel).

Zwei Tage wird immerhin am Felix gewerkelt, das Dichtungsproblem als solches bleibt zwar unangetastet, aber die vier Reifen werden auf den Felgen gedreht und ein paar andere Wartungsarbeiten erledigt. Ein schweißtreibendes Unterfangen, doch für zwei gestandene Männer kein Problem.

Die restlichen Tage verbringen wir damit, die tolle Stadt San Diego zu erkunden. In der Old Town, sozusagen der mexikanischen Keimzelle, bummeln wir über die große Plaza, umgeben von zahlreichen historischen Adobe-Bauten und ein paar viktorianischen Häusern. Irgendwie eine Mischung aus Freilichtmuseum und Touristenbelustigung, finden wir. Die Innenstadt mit der obligatorischen Skyline und ein paar alten Straßenzügen im Gaslampenviertel lockt uns vor allem mit einer großzügigen Promenade, an der sich Schiffsmuseen und Bootsanleger aufreihen.

Der tolle lange Strand von Mission Beach, die kleinen sandigen Buchten an der steilen Küste im Nobelviertel La Jolla, das Strandleben in dieser Stadt lässt keine Wünsche offen. Leider ist es für einen Strandtag zu windig und frisch, aber es ist auch toll, einfach nur die Strandpromenaden entlang zu laufen, mit Blick auf Wellen, Sand und Palmen.

Der Balboa Park mit seinen prunkvollen Bauten und schönen Gartenanlagen hoch in dem hügeligen Gelände gehört für uns ebenfalls zu den Highlights der Stadt. Als Sahnehäubchen bekommen wir gerade noch die zweite Hälfte vom sonntäglichen Konzert auf der beeindruckenden Spreckels Orgel mit, einer der weltgrößten Freiluft-Orgeln mit rd. 5.000 Orgelpfeifen.

Ein Tagesausflug gilt dem wunderschönen alten Hotel Del Coronado und der gleichnamigen schicken Halbinsel, ein weiterer dem weltberühmten San Diego Zoo, den wir gemeinsam mit Bill und Kathleen besuchen.

Uns gefällt San Diego ausnehmend gut, auch wenn uns die Stadt nicht ausnahmslos mit Sonnenschein verwöhnt. Zu unserer Überraschung erleben wir auch graubedeckten Himmel und an einem Tag sogar richtigen Regen, dabei weiß doch jeder, „it never rains in southern California“.

Wir könnten noch Tage dort verbringen und Bill und Kathleen machen keinerlei Anstalten, uns vor die Tür zu setzen. Aber irgendwann müssen wir auch mal weiter, es gibt schließlich genügend andere Ziele, die auf uns warten.

Also nehmen wir Abschied und fahren die Küste entlang Richtung Norden. In Carlsbad machen wir Station und schauen uns an, was die Amerikaner in Anlehnung an das tschechische Karlsbad gebaut haben. Ein Carlsbader mit Familie schaut sich hingegen auf dem Parkplatz Felix genauer an, ist ganz begeistert. Wir reden ein paar Worte miteinander und fragen ihn bei der Gelegenheit, ob er einen Stellplatz für die Nacht für uns wüsste. Wir haben gelernt, dass wir an der Pazifikküste kaum eine Chance haben, frei zu übernachten, und die Campingplätze verlangen Preise jenseits von Gut und Böse.

Er hat auf Anhieb auch keine Idee, lädt uns aber spontan auf sein Grundstück ein. Die Frau ist etwas überrumpelt, aber einverstanden, und wir zuckeln im Konvoi zum wunderbar gelegenen Haus hoch über der Stadt. Am Abend sitzen wir gemeinsam am Küchentisch und erzählen den beiden Reisebegeisterten, die früher selber einmal ähnliche Pläne geschmiedet haben, von unserer Tour.

Weiter geht es Richtung Norden, recht zügig durch die zahllosen Ferienorte, die fast nahtlos mit ihrem Sammelsurium an Motels, Restaurants und Surfläden ineinander übergehen. Hin und wieder können wir sogar mal einen Blick auf den Ozean erhaschen, immerhin.

In Huntington Beach, Hochburg der Surfer, halten wir angestrengt Ausschau nach dieser Spezies. Vom Pier aus, der sich lang ins Meer schiebt, können wir ein paar wenige Exemplare entdecken, die Wellen genügen heute wohl nicht den Ansprüchen echter Bretterbeherrscher. Stattdessen tummeln sich die Leute trockenen Fußes auf der Vergnügungsmeile voller Restaurants, Kneipen und den unvermeidlichen Surfshops.

Nun haben wir bald Los Angeles erreicht. In Long Beach statten wir dem alten Dampfer Queen Mary einen Kurzbesuch ab, bevor es durch den riesig großen Industriehafen Richtung Rancho Palos Verdes geht. Auf dieser Halbinsel, die sich weit im Süden von Los Angeles wie ein massiger Berg ins Meer schiebt, wollen wir eine liebe Bekannte aus früheren Tagen besuchen, von der wir lange, lange Zeit nichts mehr gesehen und gehört haben. Und die Überraschung gelingt. Mary und ihr Mann Peter fallen aus allen Wolken, freuen sich aber sehr, uns nach so vielen Jahren wieder zu sehen. Sie sind ganz beeindruckt von unserer Reise und bieten uns gleich an, die nächsten Tage bei ihnen zu bleiben.

So endet das, was als kurze Stippvisite gedacht war, mit mehrtägigem Camping auf ihrer Garagenauffahrt, wofür wir sehr dankbar sind, denn einen Campingplatz in dem Ballungsgebiet zu finden, wäre wirklich ein Problem geworden.

Mary, Peter und ihr Sohn Greg sind beruflich zwar sehr stark eingespannt und meistens außer Haus, aber sie versuchen, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Und wir fühlen uns auf der Garagenauffahrt pudelwohl, haben alles, was wir brauchen und einen ruhigen und sicheren Platz noch dazu.

Gleich am nächsten Tag organisieren wir einen Mietwagen und stürzen uns in das uferlose Los Angeles. Der Ballungsraum L. A. ist unvorstellbar großflächig, und die für Besucher interessanten Ziele liegen weit verstreut. Mit Felix die Stadt zu erobern, kommt für uns gar nicht in Frage, der Straßenverkehr ist Wahnsinn und einen Parkplatz für unseren Großen zu finden, sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.

Also machen wir uns per Auto auf den Weg, stellen uns geduldig in den allmorgendlichen Stau und am Abend gleich noch einmal, denn selbst die achtspurigen Autobahnen (pro Fahrtrichtung, wohlgemerkt!) sind dem Verkehr zur Rushhour nicht gewachsen.

Am ersten Tag kundschaften wir L. A. Downtown aus. Das historische Herz der Stadt beschränkt sich auf eine kleine Plaza, dazu eine kleine alte Straße und jede Menge mexikanischen Kitsch, der dort angeboten wird. Nicht weit entfernt ragen imposante Wolkenkratzer in die Höhe und auch das kulturelle Viertel hat einiges an interessanter Architektur aufzuweisen, allem voran die Walt Disney Concert Hall.

Nach so viel Stadtluft ist eine frische Meeresbrise dringend vonnöten. Und Strand gibt es in L. A. reichlich zur Auswahl. Die Orte Manhattan Beach und Redondo Beach im Süden sind ansehnlich und nicht ganz so überlaufen, aber das wahre Leben spielt sich an den Stränden von Santa Monica oder Venice Beach ab.

Es ist schon sehr spannend und unterhaltsam, zu beobachten, was sich auf der kunterbunten Strandpromenade von Venice Beach tummelt. Inliner fahrende Schlangenbeschwörer, medizinisches Marihuana verkaufende „Doktoren“, handlesende Lateinamerikanerinnen und zwischendurch jede Menge Touristen sind dort unter Palmen anzutreffen.

Ein ganzes Filmteam macht sich auf einer der zahlreichen Sportanlagen breit, hier wird gerade Kinogeschichte geschrieben (wie wir später im Internet recherchieren) und wir mischen uns unter die Statistenmenge. „Slamma Jamma“, die Geschichte eines jungen Kerls, der Basketballstar ist, auf die schiefe Bahn gerät und ein sagenhaftes Comeback feiert. So eine Story hat es sicher noch nie gegeben… Nur der Million-Dollar-Basketballwurf des großen Finales will bei den Dreharbeiten nicht recht gelingen, und so wird die Szene unablässig vor „jubelndem Publikum“ wiederholt.

In Santa Monica geht alles etwas feiner zu. Der große Pier mit Vergnügungspark ist ebenso gut besucht, wie der lange Sandstrand, mindestens so viel Betrieb herrscht auch in der schaufensterbummelgerechten Innenstadt.

Anders sieht es in Beverly Hills aus. Hier sind die Shops des berühmten Rodeo Drive so erlesen, dass man sich kaum traut, durch die Fenster zu schauen, geschweige denn, die Läden zu betreten. „Pretty Woman“ lässt grüßen.

Dagegen ist der Stadtteil Hollywood, der ja auch nach Glanz und Glamour klingt, ganz schön heruntergekommen. TCL Chinese Theatre und Walk of Fame sind das Herzstück und damit erschöpft sich das touristische Hollywood auch schon fast. Unser Versuch, zum Hollywood Sign hoch in den Bergen zu gelangen, scheitert trotz kräftiger Kurvenfahrt durch die Hügel. Dafür sehen wir aus nächster Nähe, wie schön und ruhig man in Los Angeles wohnen kann, auch wenn die teilweise tollen Villen wie Schwalbennester am Berghang kleben.

Ein wahres Kleinod entdecken wir mit dem Getty Center, das uns Mary so sehr ans Herz gelegt hat. Und sie hat nicht zu viel versprochen, der Museumskomplex hoch oben über der Stadt ist beeindruckend und faszinierend. Auch wenn wir nicht gerade ausgesprochene Kunstkenner und –liebhaber sind, allein die hellen, lichtdurchfluteten Bauwerke und die wunderbare Aussicht auf L. A. sind einen Besuch wert. Der ist dank der Getty Stiftung übrigens gratis, kaum zu glauben, nur das Parken kostet ein paar Dollar.

Nach ein paar Tagen haben wir dann aber auch genug von der Stadt der Engel, viel zu voll, viel zu laut, viel zu stressig. Raus geht es, weiter die Küste entlang nach Norden.

Santa Barbara, ja, das ist wieder eine Stadt, in der man durchaus anhalten und es aushalten kann. Ein schmuckes Städtchen an der sogenannten Kalifornischen Riviera, ganz in rot-weiß. Weiß getünchte Fassaden, rote Ziegeldächer, Spanien lässt grüßen. Dazu ein großer Jachthafen, schöner Pier und toller Strand. Aber, wie uns Einheimische sagen, auch mit exorbitant hohen Immobilienpreisen. Da sind wir doch froh, dass wir hier kein Häuschen finden müssen, weil wir ja eine Mobilie namens Felix haben…

Und mit der fahren wir weiter nach Dänemark. Ah?! Ja, richtig gelesen. In Solvang haben sich frühere dänische Auswanderer ein Stückchen Heimat aufgebaut und heute will natürlich das ganze Städtchen ein Stück vom touristischen Kuchen abhaben. Mit Erfolg, es ist viel los im Staate Dänemark, aber es ist auch wirklich nett mit den Fachwerkhäusern und Windmühlen und dänischen Leckereien. Kein Vergleich zu dem, was man in Amerika sonst oft als Ortschaft geboten bekommt.

Zurück geht es ans Wasser, genauer gesagt fast ins Wasser, und zwar in der Nähe von Pismo Beach, wo es eines der wenigen Dünengebiete an der Pazifikküste gibt, das man mit dem Auto befahren darf. Ein paar Tage Camping am Strand, wer träumt nicht davon. Also lassen wir etwas Luft aus den Reifen und cruisen den Strand entlang, bis wir ein nettes Plätzchen gefunden haben. Leider ist es windig, so dass wir gar nicht erst Tisch und Stühle rausholen. Aber morgen können wir ja schön draußen frühstücken. Oder auch nicht. Der Wind hat kräftig zugenommen, der Sand fliegt quer, wir werden gleich beim Aussteigen sandgestrahlt. Irgendwann bemerken wir eigenartige Erschütterungen im Felix. Erdbeben kommen nicht in Frage, die Wellen verursachen sie auch nicht. Aber das ständige Ruckeln lässt uns keine Ruhe, wir forschen nach und siehe da: Der starke Wind bläst unnachgiebig den weichen Sand unter den Felixreifen weg und unser Großer rutscht dementsprechend immer ein Stückchen tiefer. So was kann ganz schön nerven, besonders, wenn das Spiel die ganze Nacht hindurch weitergeht.

Aber immerhin geht es uns noch besser als einigen anderen auf dem Strand, die sich erfolgreich im Weichsand festbuddeln und ganz klassisch bei dem Versuch, sich selber da raus zu bugsieren, immer weiter eingraben. Hier hat Felix wieder mal seinen großen Auftritt und zieht gleich mehrmals Autos und Reisemobile wieder auf festen Grund. Die Fahrer freut es, denn wie wir hören, ist Weichsandbuddeln ein teurer Spaß. Das einzige verfügbare Abschleppunternehmen verlangt allein 350 Dollar nur für die Anfahrt, die Bergung noch nicht mit eingerechnet. Felix macht es natürlich umsonst, hat aber seinen Spaß. Stephan weniger, denn er liegt bäuchlings im Sand, auf der Suche nach Verankerungspunkten für das Abschleppseil, und ist bei dem Wind sofort paniert.

Am dritten, immer noch stürmischen Tag beenden wir unseren Versuch „Camping am Strand“ und fahren frustriert weiter. Auf dem Weg nach Morro Bay machen wir im Madonna Inn in San Luis Obispo Station. Und das kommt so: In Deutschland läuft ein Bericht über Kaliforniens Highway No. 1, darin taucht das Hotel auf, die Eltern in der Heimat sind davon angetan, schicken den Reisetipp für alle Fälle über den großen Teich und wir zwei halten folgsam dort an, um uns das überaus sehenswerte, durch und durch pinkfarbene Urlauberdomizil anzuschauen. Und natürlich von der berühmten pinkfarbenen Champagnertorte zu kosten, die heute allerdings cremefarben daherkommt, weil die pinke Farbe aus ist. Schmeckt aber trotzdem und hebt vor allem die Laune…

In Morro Bay ist dann die herzhafte Kost dran, im kleinen Hafen des kleinen Fischerdörfchens futtern wir Fish and Chips und schauen dabei auf den großen Morro Rock, der sich einsam aus der Bucht erhebt.

Weiter geht es die Küstenstraße entlang, Highway No. 1, Traumstraße, die sich ab Morro Bay wirklich in eine solche verwandelt.

In der Nähe der Piedras Blancas Light Station tummeln sich zahllose Seelöwen und Seeelefanten am Strand oder, genauer gesagt, aalen sich faul in der Sonne. Dicht an dicht liegen sie im Sand und sehen aus der erhöhten Position des Steilufers doch eher aus wie dicke Ölsardinen. Liegt vielleicht auch daran, dass die Jungtiere sich gerade häuten und „unten drunter“ frisch und silbrig glänzen.

Je weiter wir fahren, desto grandioser wird die Küste. Die schroffen Berge, dicht bewaldet, fallen steil in den Ozean ab, die Straße windet sich hoch über den Schaumkronen serpentinenreich und unablässig um die Bergrücken. Immer wieder sehen wir tief unten felsige Buchten mit goldgelben Sandstränden, verlockend aber unerreichbar. Vereinzelt liegen Häuser versteckt im Grünen, tolle Lage zwar, aber auch sehr einsam, wie wir feststellen. Richtige Orte gibt es nicht, nur hier und da ein Motel, ein Restaurant und ein paar verstreute Anwesen, die kaum als Siedlung zu erkennen sind.

Ansonsten nur Aussicht, Aussicht, Aussicht, der Name „Big Sur“ steht selbstredend dafür. Wir haben es nicht eilig, freuen uns, die Küste bei gutem Wetter zu erleben, nicht beim hier oftmals herrschenden dichten Nebel, und lassen uns auf der Fahrt reichlich Zeit. Hinter jeder Kurve lauert ein neuer toller Ausblick auf uns und wir nehmen alle Haltepunkte, die sich bieten, dankbar an.

An der bekanntesten der zahlreichen Brücken entlang der Küstenstraße, der Bixby Bridge, endet schließlich unser Reisemonat April, aber noch nicht unsere Fahrt entlang des Highway No. 1 in California.