Alaska

Der kleine Hafenort Valdez zeigt sich auch an unserem letzten Tag typisch: nebelverhangen unter dicken Wolken. Aber schon auf der anderen Seite des Thompson Passes sieht die Welt wieder besser aus.

Richtig klasse ist es auf unserem Abstecher in den Wrangell-St.-Elias National Park. Viele Möglichkeiten, dieses riesige Schutzgebiet, schließlich größter Nationalpark in Amerika, mit dem Auto zu erkunden, gibt es nicht. Ganze zwei Straßen führen in die wilde Landschaft hinein. Die erste bringt uns in die Ghost Town Kennecott.

So stelle ich mir einen Ritt auf dem mechanischen Bullen vor. Während an uns die schneebedeckten Gipfel der Wrangell Mountains vorbeiziehen, werden wir auf unseren Sitzen hin- und hergeworfen wie auf kaum einer anderen Strecke in Alaska. Vor der Anzahl an Bodensenken, Asphaltbrüchen und Schräglagen haben wohl sogar die Baukolonnen kapituliert und weisen nur noch einfallsreich auf besonders unsanfte Straßenschäden hin.

In dem winzigen Chitina ist dann Schluss mit Asphalt, aber noch nicht Schluss mit lustig. Der unterhaltsame Ritt geht weiter, diesmal AUF einer alten Eisenbahntrasse, deren Bahnschwellen schlicht unter Schotter und Sand begraben sind. Die „Straße“ endet nach rund 100 Kilometern am Kennicott River, ab hier geht es erst mal nur zu Fuß weiter. In dem kleinen McCarthy auf der anderen Seite der Brücke startet der Shuttlebus, der uns in die einige Kilometer entfernte Ghost Town Kennecott bringt.

Kennecott ist Bilderbuch pur. Inmitten wunderschöner Berg- und Gletscherlandschaft reckt sich der riesige Komplex der alten Kennecott Copper Mine  den Hang hinauf, die Anfang des 20. Jahrhunderts eine der reichsten Kupferminen in den USA war. Heute stehen die Mine und das, was vom zugehörigen Ort übrig blieb, als National Historic Landmark unter Schutz und es wird großer Aufwand betrieben, den ständig drohenden Verfall aufzuhalten.

Auf der Nordseite der Wrangell Mountains schlagen wir uns auf der Nabesna Road noch einmal ein Stück in die Wildnis und haben immer wieder tolle Ausblicke auf das langgestreckte Gebirgsmassiv mit einer Handvoll gletscherbedeckter Gipfel.

Und damit geht unsere Runde durch Alaska zunächst einmal ihrem Ende entgegen. Noch eine leckere Alaska-Abschieds-Pizza in Fast Eddy´s Restaurant, Traveler-Institution in Tok, dann sind wir auch schon fast an der Grenze zum Yukon, Kanada.

Doch das Intermezzo in Kanada währt nur kurz. Über den Alaska Highway geht es gen Süden, wir rollen Kilometer um Kilometer, zur rechten Seite die Ausläufer der St. Elias Mountains (leider) im ewigen Gegenlicht, zur linken irgendwann der leuchtendblaue Kluane Lake im Sonnenschein.

Nach ein paar Tagen biegen wir in Haines Junction noch einmal Richtung Alaska ab. Eine wunderschöne Fahrt durch die Berge, die mit jedem Kilometer besser wird, je höher wir ins Gebirge kommen. Schroffe Gipfel, Gletscher, hinter jeder Kurve tolles Panorama. Höhepunkt ist zweifelsohne das Gebiet um den Chilkat Pass, eine weite, baumlose Hochebene, karg und wild. Eigentlich viel zu schade, um nur durchzufahren, aber da dies für die nächste Zeit der letzte sonnige Tag sein soll, wollen wir noch rechtzeitig Haines erreichen.

Denn Haines muss man bei schönem Wetter gesehen haben: gelegen auf einer Landzunge am Ende eines der längsten Fjorde Alaskas, eingerahmt von schnee- und gletscherbedeckten Bergen. Ein hübscher Hafen, eine unaufgeregte Kleinstadt und ganz viel Natur drum herum. Am Ortsende liegt das Schmuckstück von Haines, das vor über hundert Jahren erbaute Fort Seward. Einst erster Armeeposten der USA in Alaska, heute in Privatbesitz und damit vor dem Verfall gerettet. So eines der schmucken, schneeweißen Offiziershäuser könnte uns auch gefallen…

Die zweite Hauptattraktion von Haines ist weniger schmuck und schneeweiß, sondern pelzig und braun. An einem kleinen Fluss hinterm Ort ist die Wahrscheinlichkeit, Grizzlies und Schwarzbären in freier Wildbahn zu sehen, ganz schön hoch, gerade zu dieser Jahreszeit, in der so langsam an den Winterspeck gedacht werden muss und es dort Lachse im Überfluss gibt. Die Bären, gar nicht dumm, suchen sich natürlich den einfachsten Platz für den Lachsfang, und der ist am Wehr der Fischzählanlage. Ein Blick links, ein Blick rechts, ein Griff ins Wasser und schon klemmt der nächste Lachs zwischen den Pranken. Das Buffet ist eröffnet! Da stören auch nicht die vielen zweibeinigen Zuschauer, die sich in gebührendem Abstand, aber doch so nah es geht, am Flussufer versammeln. Obwohl wir an einem Abend gleich sieben Bären zu Gesicht bekommen, sind sie klar in der Unterzahl.

Nur rund 30 Kilometer Luftlinie von Haines entfernt liegt Skagway, ebenfalls in Alaska, aber auf der anderen Seite des Fjords. Skagway ist frühere Goldgräberstadt und heutige Touristenhochburg, Ankerplatz für unzählige Kreuzfahrtschiffe, die täglich tausende Touristen ausspucken. Hin kommt man entweder per 600 Kilometer langer Fahrt „hinten herum“ über Land oder alternativ per Fährschiff. Auch wenn es verlockend wäre, den Haines Highway ein zweites Mal zu fahren, entscheiden wir uns dann doch für die kurze Variante übers Wasser.

Wir können kurzfristig einen Platz auf der Schnellfähre ergattern, 40 Minuten Überfahrt, statt 60, was für eine Zeitersparnis! Eine viertel Stunde vor fahrplanmäßiger Abfahrt stehen noch alle Autos, LKW und Wohnmobile an Land… Uns schwant, das könnte zeitlich knapp werden. Als die Verladung beginnt, wird es unterhaltsam: Jedes, aber auch jedes Fahrzeug muss RÜCKWÄRTS einparken! Die kleinen können an Bord rangieren, die großen müssen gleich mit dem Hinterteil voran aufs Schiff, da der Wendeplatz nicht ausreicht. Im Schneckentempo verschwinden die Vehikel im Schiffsbauch, jeder Zentimeter zählt. Wer um Himmels Willen baut solche Fähren?! Eine Stunde später sind endlich alle an Bord und wir können ablegen. Eigentlich wären wir jetzt gerade in Skagway angekommen, mit dieser „Schnellfähre“…

Mittlerweile ist es später Nachmittag, der Himmel dunkel und pünktlich zur Einfahrt in Skagway setzt der Regen ein. So ist unser erster Eindruck von der Goldgräberstadt so ganz anders als erwartet. Statt auf eine knallbunte, quirlige, überlaufene Touristenhochburg stoßen wir auf leere Bürgersteige, geschlossene Geschäfte, fahle Straßenzeilen. Die Kreuzfahrer sind alle wieder an Bord, denn das Abendessen wartet, die Ladenbesitzer sind im wohlverdienten Feierabend und wir können in aller Seelenruhe durch die Stadt bummeln. Das hat was.

Am nächsten Tag erleben wir Skagway dann von der wahren Seite. Das einzelne Kreuzfahrtschiff vom Vortag hat vier neuen Platz gemacht, ungefähr 11.000 Touristen sind somit in der 1.000-Einwohner-Stadt und strömen in die zahllosen Schmuck-, Antiquitäten- und Souvenirläden, die sich hinter den farbenfroh angestrichenen historischen Fassaden verbergen. Hat auch was.

Wer nicht in den Geschäften verschwindet, begibt sich an Bord der Züge der White Pass & Yukon Route. Ursprünglich sollte die Bahnlinie zu Zeiten des Goldrausches den Glücksrittern den harten, beschwerlichen Weg zu Fuß über den White Pass oder den Chilkoot Pass erleichtern. Als die Bahntrasse schließlich eröffnet wurde, war der Goldrausch leider schon so gut wie vorbei. Heute hat sich eine neue Goldgrube aufgetan, der Tourismus sorgt dafür, dass die Züge weiter rollen.

Am nächsten Tag verlassen wir Skagway und machen uns auf den Weg über den Klondike Highway, der der Straße nach Haines nicht im Geringsten nachsteht. Steil geht es im engen Tal zwischen den hohen Küstenbergen hinauf, dann liegt das Hochplateau um den White Pass vor uns. Schroff, karg, felsig, mit kleinen Seen gespickt. Hin und wieder sehen wir einen der Züge der White Pass & Yukon Route vorbeirattern. Und mitten in dieser wunderschönen Einöde liegt ein einsamer Grenzposten: wir sind zurück in Kanada.