Banner_07-2015jpgklein

Ein etwas holpriger Start

Samstag, 18.07.2015 – unser großer Tag! Das Abenteuer beginnt und zwar schon gleich in Köln: der ICE hat eine Stunde Verspätung. Macht aber nichts, da der Flieger von Frankfurt nach Halifax gleich dreieinhalb Stunden später abhebt, als geplant.

Endlich in Kanada angekommen, empfängt uns Halifax mit Freudentränen. Gleich nach dem Verlassen des Flughafens fängt der Regen an und beglückt uns in den nächsten drei Tagen durchgängig und in den verschiedensten Formen. So haben wir uns das irgendwie nicht vorgestellt…

Aber, wie unsere reiseerfahrenen Freunde uns immer wieder eindrücklich mit auf den Weg gegeben haben: „Ihr habt ja Zeit, ihr könnt das aussitzen!“ Und das tun wir auch ausgiebig auf dem ersten Walmart-Parkplatz unserer Reise (Walmart hat den Vorteil, Reisemobilisten kostenfreies Übernachten anzubieten und – noch besser – kostenloses WiFi).

Die Felix-Verschiffung war für uns eine leichte Übung, haben doch Seabridge und die Spediteure die meiste Arbeit übernommen. Für uns hieß es, zunächst beim kanadischen Spediteur und dann beim Zoll die nötigen Stempel einzuholen. Der Taxifahrer, der uns zum Hafen bringen sollte, erkannte schon anhand der Nummernschilder unter Stephans Arm unser Ziel. Am Hafen selber waren die Formalitäten schnell erledigt und nach einem kurzen Kontrollgang um den Unimog konnten wir auch schon vom Hafengelände rollen.

Da, wie gesagt, das suboptimale Wetter uns die Besichtigung von Halifax Downtown und Hafen und Zitadelle und allen anderen Sehenswürdigkeiten doch etwas vermieste, sind wir gleich zum oben genannten Walmart gerollt und haben das getan, was dringlich war: einkaufen! Denn Felix konnte zwar vollgepackt verschifft werden, jedoch ohne Lebensmittel. Und so bewahrheitet sich ein weiterer Spruch unserer reiseerfahrenen Freunde: Der erste Monat ist der teuerste!

Schließlich fangen wir bei null an. Außerdem brauchen wir Gas und Diesel. Bei einem Hauslieferanten für Propan erstehen wir ersteres, direkt aus dem großen Tanklaster in unsere zwei kleinen 6-kg-Flaschen, ein kurzes Unterfangen. Beim Diesel sieht es anders aus, da staunt der Tankwart über das Fassungsvermögen unseres Reisemobils doch ein wenig und mit glänzenden Augen.

Überhaupt ist unser Felix der Hingucker schlechthin. So ein Vehikel kennt man hier nicht. Kaum ein Platz, an dem wir aussteigen können, ohne angesprochen zu werden. Entgegenkommende Autofahrer strecken breit grinsend den Daumen hoch. Fotos werden gemacht, auf den Parkplätzen Ehrenrunden um Felix gedreht. Sogar eine Hochzeitsgesellschaft hat vor Felix einen Fotostopp eingelegt, hauptsächlich für die Herren in der Runde, natürlich. Hoffentlich wird Felix nicht überheblich und eingebildet ob der ganzen Aufmerksamkeit der Kanadier.

Mit den ersten Sonnenstrahlen haben wir genug davon, die diversen Geschäfte in dem Gewerbegebiet zu erkunden und es geht raus aus der Stadt und rauf auf die Lighthouseroute.

Lighthouseroute

Die Lighthouseroute schlängelt sich kurvenreich, aussichtsreich und bisweilen holprig entlang der Südküste und führt, wie der Name schon sagt, an vielen Leuchttürmen vorbei. Gesäumt wird die Strecke von kleinen Fischerdörfchen, die sich oftmals fast nahtlos aneinanderreihen. Wenn es nicht die kleinen Ortsschilder gäbe, würde man oft kaum das Ende des einen und den Anfang des anderen mitbekommen.

Die Dörfer bestehen meistens aus einer lockeren Ansammlung von einfachen bis prachtvollen und in den verschiedensten Farben gestrichenen Holzhäusern und haben im Durchschnitt drei Kirchen, wenn auch oft weder Supermarkt noch Tankstelle. Anhand der Kirchen kann man wenigstens erkennen, wo vermutlich der Ortsmittelpunkt liegt…

Natürlich gibt es auch zwischendurch streckenweise nur Wasser und Wald, Felder und Felsen. Hinter jeder Kurve eröffnen sich neue Ausblicke. Highlights auf dieser Strecke, für die wir uns eineinhalb Wochen Zeit lassen, gibt es viele.

Da wäre zunächst das kleine, hübsche, wenn auch touristische Peggy´s Cove. Ein altes Fischernest mit kleinem Naturhafen, in den die Holzhäuser zum Teil auf Stelzen hineingebaut sind. Der Leuchtturm des Dorfes gehört wohl zu den meistfotografierten, macht sich aber auf den wellenumtosten Felsen und Klippen wirklich gut.

Mahone Bay, ein Dorf in gleichnamiger Bucht, ragt insofern heraus, als dass es der kleine Ort gleich auf sechs aufgereihte Kirchen bringt. Darüber hinaus gibt es hier ein kleines aber feines Einkaufssträßchen.

Lunenburg hat da noch mehr zu bieten, nämlich den Titel „UNESCO-Weltkulturerbe“. Zu verdanken hat der Ort es dem Umstand, dass er als – von den Briten schachbrettartig angelegtes – Ensemble von Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert bestens erhalten ist. Das bunte, am Hang gestaffelte Sammelsurium der alten Holzhäuser und der betriebsame Hafen sind unbedingt sehenswert.

Viel kleiner, aber nicht weniger knuffig, ist Shelburne mit seinem schön restaurierten und angelegten Historic District. Zwar ist es nur ein kleiner Bereich, aber die historischen Holzhäuser, direkt am Wasser gelegen, bewahren den Charme vergangener Zeiten.

Evangeline Trail

In Yarmouth, dem größten Versorgungszentrum im Südwesten von Nova Scotia, endet die Lighthouseroute und geht über in den Evangeline Trail, der uns zunächst in den hübschen Fischerort Digby an der Bay of Fundy führt. Hummer gibt es in Nova Scotia reichlich, aber Digby ist bekannt für seine Scallops, hat die größte Fangflotte für Jakobsmuscheln. Bei uns als Delikatesse in den besten Restaurants vereinzelt auf dem Teller zu finden, gibt es die Scallops hier gleich im Dutzend, wir haben es ausprobiert.

Ein paar Kilometer weiter begeistert uns Annapolis Royal, eines der ältesten Siedlungsgebiete, mit unzähligen historischen Häusern, einem netten Farmers Market und Fort Anne, einer Befestigungsanlage aus dem 17. Jahrhundert.

Ein Erlebnis der ganz besonderen Art widerfährt uns in dem unscheinbaren Fischerdörfchen Hampton.

Die bisherige Fahrt über war es nie ein Problem, einen hübschen, freien Übernachtungsplatz zu finden. Hin und wieder zum Beispiel auf einem Parkplatz an einem der Leuchttürme oder an einem Strand und wenn es sein musste, auch mal auf einem Walmart-Parkplatz. Aber an der Küste der Bay of Fundy sieht es recht schlecht aus, alles privat, kein Weg ab von der Straße.

Bis wir zufällig das Hinweisschild auf Hampton Beach, Wharf (Hafen) und Lighthouse entdecken. Und schon liegt der allerschönste Übernachtungsplatz vor uns: Zur einen Seite das Hafenbecken mit einer Handvoll Fischerbötchen zum Hummerfang, zur anderen Seite ein wunderbarer Kieselstrand und ein perfekter Sonnenuntergang über dem Meer dazu.

Früh morgens verlassen die Boote mit der steigenden Flut den Hafen und wie der Zufall es will, hört Stephan, dass die Fischer schon gegen Mittag zurückerwartet würden. Das wollen wir uns natürlich anschauen. Während der Wartezeit kommen wir mit einer Hamptonerin, Gale, ins Gespräch, die wissen will, ob wir Hummer kaufen wollen. Würden wir gerne, aber was sollten wir angesichts unserer kleinen Kochtöpfe damit anfangen? Schon steht ihr Angebot, den Hummer für uns zu kochen, einfach so. Inzwischen gesellt sich ein weiterer Hamptoner dazu und das Unterfangen „Hummerkochen“ wird gemeinsam weiter diskutiert.

Irgendwie endet die Sache darin, dass wir plötzlich mit einem riesigen geliehenen Topf, zwei großen Hummern und wenig Ahnung vor dem Felix stehen. Dank fachkundiger Unterstützung und unter Einweihung unseres nagelneuen Außengaskochers liegen jedoch 30 Minuten später zwei in Meerwasser gekochte Hummer auf unseren Tellern. Vom Boot in den Topf in den Mund. Und das für insgesamt nur 22 Dollar! Und so lecker! Einzig das Auseinandernehmen ist etwas improvisiert, aber zum Glück sind wir im Felix ja mit Rohrzange, Hammer und Schere ausgerüstet.

Inzwischen ist es früher Nachmittag und für die Weiterfahrt zu spät. So halten wir ein Schwätzchen mit den Fischern, genießen die Aussicht vom Lighthouse, besuchen die Boote im Schlick, denn inzwischen ist der ganze Hafen trocken gelaufen. Plötzlich hält ein Wagen neben uns und der Fahrer begrüßt uns mit Namen. Es ist Peter, Gales Mann, beide wollen wissen, ob das Hummerkochen geklappt hat und laden uns prompt auf ihre Veranda auf ein Bier ein. Die Runde erweitert sich dort kurzzeitig um Marcel und Heidi, Schweizer Kanadier und Nachbarn, und aus dem Nachmittagsbier wird ein Abendessen in Gales Küche und anschließend noch ein später Kaffee bei Heidi und Marcel.

So verbringen wir einen unverhofften, wunderschönen Tag und eine weitere gute Nacht in einem winzigen Fischernest und lernen tolle Menschen kennen. Und Hummer kochen können wir jetzt auch. Ob wir dieses Wissen jemals wieder brauchen?!

Auf der Weiterfahrt entlang der Bay of Fundy machen wir Halt in Grand Pré, einer Kulturlandschaft mit Äckern, Poldern und Deichen, die von der UNESCO in ihrer Art und Historie gewürdigt wird und uns irgendwie an Holland erinnert…

Die Bay of Fundy zählt zu Kanadas Naturwundern, ist die riesige und tief eingeschnittene Bucht doch bekannt für den weltweit größten Tidenhub. Am besten kann man den am Burntcoat Head beobachten. Bei Ebbe lässt es sich wunderbar auf dem Meeresboden spazieren, sofern man genügend Wasser dabei hat, die schlammverschmierten Füße wieder sauber zu kriegen.

Rote steile Felsen, das Grün der Bäume und der blaue Himmel, eine tolle Komposition. Nur ein paar Stunden später steht der Meeresgrund, auf dem wir gelaufen sind, meterhoch unter Wasser, das Meer strömt bei Flut mit überraschender Geschwindigkeit herein.

Und wir verlassen Ende Juli Nova Scotia, aber im Herbst werden wir die Provinz ein zweites Mal besuchen, wenn wir von der großen Labrador-Neufundland-Tour zurückkommen.