British Columbia

Prince George hält uns nicht lange, uns zieht es Richtung Süden. So langsam läuft die Zeit in Kanada ab, Mitte September müssen wir das Land verlassen, und es gibt noch viel zu fahren und anzuschauen. In den vergangenen Monaten haben wir schon einige Strecken in B.C. kennengelernt, jetzt stehen wir vor der Wahl, welche davon wir für die Rückfahrt nehmen. Wir entscheiden uns für die direkte Linie ohne große Schlenker, den Cariboo Highway, außerdem kommen wir dabei noch mal an Lillooet, Whistler und dem Sea to Sky Highway vorbei, was uns alles schon beim ersten Mal gut gefallen hat.

Zunächst aber statten wir dem „lebenden Museum“ Barkerville einen Besuch ab. Im letzten Herbst sind wir dran vorbeigefahren, weil wir irrtümlich dachten, das Museumsdorf wäre schon in tiefen Winterschlaf gefallen. Jetzt, noch kurz vor Saisonende, starten wir einen zweiten Versuch. Zum Glück!

Denn sonst hätten wir wirklich was verpasst. Selten so ein sympathisches, komplettes und prima erhaltenes Städtchen aus der Goldrauschzeit gesehen. Hier ist die Zeit einfach stehen geblieben. Sogar die Bewohner sehen noch verblüffend frisch aus…

Eine nette ältere Dame mit Rüschenkleid und Dutt erzählt von ihrem Bruder, der erst kürzlich wegen der Goldfunde hierhergekommen ist, der Druckermeister schwatzt über das aktuelle Geschehen anno 1863, während er die frische Ausgabe der Zeitung druckt, nur der Schmied zeigt sich etwas wortkarg, während er das Hufeisen bearbeitet.

Über 150 Gebäude sind an originaler Stelle erhalten und authentisch restauriert, viele davon sind möbliert und sogar zugänglich. Weder Kirche noch Saloon fehlen, es gibt alles von der Bäckerei bis zum Zahnarzt, von der Schule bis zum Theater. Trotzdem kaum zu glauben, dass das kleine Barkerville zu Zeiten des Cariboo Goldrausches die größte Stadt im Westen war, wenn auch nicht lange. Wie wir erzählt bekommen, lebten, nein, ich muss ja sagen, leben hier Menschen aller möglichen Nationalitäten einträchtig zusammen. Einen außergewöhnlich hohen Anteil an der Einwohnerzahl haben dabei die Chinesen, deren Viertel ganz untypisch am Ortseingang, nicht wie üblich an den Stadtrand gedrängt, liegt.

Ein rundum schöner, sonniger Tag. Und leider der letzte dieser Art auf der Fahrt durch British Columbia. Kaum zurück auf dem Cariboo Highway, bemerken wir einen gewissen Dunst in der Luft. Je weiter wir fahren, desto dichter wird er und irgendwann besteht kein Zweifel mehr: Wir stecken im dicken Rauch. Es riecht nach Feuer und Holzbrand, es kratzt im Hals und brennt in den Augen, die Sonne kommt kaum durch, taucht die ganze Landschaft in gelblich-fahles Licht.

Schon den ganzen Sommer über haben wir in den Nachrichten verfolgt, wie British Columbia unter einer noch nie dagewesenen Waldbrandsaison leidet. Sowohl die Anzahl als auch die Flächen der Feuer halten die Provinz seit Wochen in Atem und nehmen den Bewohnern den Atem.

Auf der Fahrt durch die kleinen Ortschaften sehen wir immer wieder Plakate, Fensterbilder, Leuchttafeln, auf denen den Helfern gedankt wird. Feuerwehrleute, Freiwillige, Soldaten, Ärzte und Krankenpfleger, niemand wird vergessen. Kaum ein Ort auf unserer Strecke, der nicht im Laufe des Sommers evakuiert wurde. Inzwischen sind die Menschen zurückgekehrt, aber die Waldbrandsaison ist noch nicht vorüber. Immer wieder gibt es neue Brandherde oder alte Feuer, die weiterhin Flächen vernichten. Angesichts der Weite des Landes wird kaum versucht, die Feuer zu löschen, sondern bestenfalls, sie soweit unter Kontrolle zu bringen, dass in erster Linie Menschen und Häuser geschützt sind, und damit haben die Helfer schon alle Hände voll zu tun.

Natürlich finden wir es sehr schade, dass die ganze schöne Landschaft im Rauch versinkt, hatten uns schließlich auf die Fahrt gefreut und jetzt ist so gut wie nichts zu sehen. Aber wir trauen uns kaum, das zu denken, wenn wir hören, was die Menschen hier durchgemacht haben.

Unseren Plan, in der Kleinstadt 100 Mile House zu übernachten, geben wir schnell auf. Die Luft ist so dick, dass es kratzt und beißt, wir ergreifen die Flucht. Wie halten die Menschen das hier bloß aus? Wie wir erfahren, gibt es in der Nähe aktuell drei neue Brände, deshalb ist es gerade besonders schlimm, aber im Grunde steckt der ganze Süden von British Columbia unter einer dicken Rauchglocke. Der Wind verteilt die Schwaden gleichmäßig über dem Land, ganz egal, wie weit die Feuer entfernt sind. Im Radio wird mit der Wettervorhersage gleich die Luftqualitätswarnung mitgeliefert.

So haben wir uns das wirklich nicht vorgestellt, erst recht nicht, dass die Situation noch jetzt im September so schlimm ist.

Meine Hoffnung, Lillooet diesmal mit Gebirgskulisse statt tiefhängenden Wolken ringsum zu sehen, sinkt mit jedem Kilometer. Diesmal sind die Berge wie ausgelöscht, dank des dichten Rauches. Dicke Suppe in der ganzen Gegend, vom Marble Canyon und Tal des Fraser River bis zur tollen Duffey Lake Road, umsonst gefreut auf diese besonders schönen Strecken. Selbst im Wintersportort Whistler und sogar noch an der Küste, auf dem Sea to Sky Highway, liegt dichter Dunst in der Luft, der uns bis Vancouver und noch zur Grenze in die USA erhalten bleibt.

Langley ist unsere letzte Station in Kanada. So langsam werden wir wehmütig und die Runde der „letzten Male“ beginnt: Noch einmal bei Cora´s frühstücken, zusammen mit John, bei dem Felix den Winter verbracht hat. Die gesammelten Kundenpunkte bei Petro-Canada vertanken, immerhin ganze 12 Dollar! Einen dicken Beutel Kleingeld bei der CIBC-Bank in Scheine tauschen und damit die Bankangestellte zur Verzweiflung bringen, weil sie alles per Hand zählen muss. Die Geldscheine gleich bei Save on Foods in Maple Syrup investieren. Noch einmal durch DEN Laden schlechthin bummeln, auch wenn wir absolut nichts mehr bei Canadian Tire kaufen müssen. Und als letzte Amtshandlung noch einmal einen Kaffee bei Tim Hortons schlürfen und einen Boston Cream, den „Berliner-Ballen-Nachbau“,  knabbern. Dann ist es soweit, wir fahren über die Grenze. Good bye, Canada, hello again, USA!