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British Columbia

Im April geht das Warten auf das Ersatzteil aus Deutschland weiter, deswegen richten wir uns auf unserem provisorischen Stellplatz vor Hans´ Halle so gut es geht ein. Felix balanciert mit der Hinterachse auf Hochstellböcken, aber dank unserer Fahrräder sind wir wenigstens soweit mobil, um nach Fort Langley zu radeln. In dem hübschen, auf alt getrimmten Ort gibt es was zu gucken, ein gemütliches Café mit Internet und zum Glück einen kleinen Lebensmittelladen, denn unsere Vorräte gehen langsam zur Neige. Doch die meiste Zeit haben wir bei dem Wetter eh keine Lust, vor die Türe zu gehen.

Nach einer Woche ist das Paket endlich da und ein paar Tage später sind wir wieder fahrbereit. Letztendlich kostet uns das ganze Prozedere des Bremsentauschens und -reparierens zwei Wochen unserer Reisezeit und zwei Monate unseres Reisebudgets. Aber was will man machen, ohne einwandfreie Bremsen geht es eben auch nicht.

Jetzt wird aber durchgestartet. Erst gemütlich mit einem Besuch bei Lorna und Mark, Reisebekannten aus Delta, und einem Bummel durch Steveston mit seiner alten Gulf of Georgia Cannery N.H.S., aber dann nehmen wir richtig Fahrt auf.

Mit der Fähre geht es rüber nach Vancouver Island, zweiter Versuch. Der erste im Oktober ist ja sprichwörtlich ins (Regen-)Wasser gefallen.

An der Ostküste der Insel halten wir natürlich in all den kleinen Städten und Küstenorten, die auf jedem Besuchsprogramm stehen. Duncan mit den zahlreichen Totempfählen, das hübsche Chemainus mit den Wandmalereien zur Stadtgeschichte, und Ladysmith.

Hinter Nanaimo, das erst auf der Rückfahrt dran ist, biegen wir auf die alte Küstenstraße ab, die gemächliche Alternative zur parallel verlaufenden Schnellstraße.

Die größeren Orte entlang der Küste halten uns nicht lange, wir haben den Eindruck, sie sind nur auf Ferienbetrieb eingestellt. Und von Ferienbetrieb ist hier weit und breit noch nichts zu sehen, wir sind spürbar „out of season“ unterwegs. Zwischen den Ferienhochburgen durchfahren wir winzige Nester, deren Mittelpunkt bestenfalls durch Tankstelle und/oder Minimarkt markiert ist. Ansonsten freuen wir uns jedes Mal, wenn die Straße direkt am Wasser entlang führt und wir die Strait of Georgia und die Inseln darin sehen können.

Mit der Stadt Campbell River fängt schließlich der Norden der Insel an, ab hier wird es richtig einsam. Die wichtigste Verkehrsverbindung verkümmert von der Schnell- zur Landstraße, ansonsten gibt es hauptsächlich Schotterpisten. Die Küste rückt in weite Ferne, stattdessen schlängelt sich die Route durch Wald und nochmals Wald.

Nach rund 70 Kilometern Nichts führt uns ein Abstecher zurück ans Wasser nach Sayward, eine kleine Küstenstadt, die weder nach „Küste“ noch nach „Stadt“ aussieht. Hier gibt es nicht mal einen Lebensmittelladen. Aber immerhin Schule, Post, Feuerwehr, Polizei und einen Arzt.

Ein paar Kilometer außerhalb finden wir dann doch noch einen kleinen, idyllischen Hafen und gleich daneben einen ebensolchen Campingplatz. Von hier können wir zusehen, wie die Holzstämme an Land sortiert und im Hafenbecken zu großen Bündeln geschnürt werden. Außerdem entfachen wir das erste Lagerfeuer der Saison und lassen uns auch nicht davon abbringen, als der unvermeidliche Regen einsetzt. Man kann schließlich auch unterm großen Regenschirm am Feuer sitzen.

Rund 60 Kilometer weiter liegt der Holzfällerort Woss, dazwischen liegt nichts außer Wald, Seen und Bergen. In Woss gibt es immerhin einen Mini-Lebensmittelladen nebst Tankstelle. Dafür sehen wir diesmal weder Schule, noch Post, Feuerwehr oder Polizei.

Noch einmal rund 70 einsame Kilometer nördlich landen wir in dem schnuckeligen Telegraph Cove. Auch wenn die alte Sägemühle inzwischen einem Hotel gewichen ist und der dichte Wald Park- und Campingplätzen, hat es das kleine Küstennest geschafft, seinen Charme zu behalten. Historische bunte Holzhäuser, auf Stelzen in die Bucht gebaut, ein hölzerner Steg, der mitten hindurch führt, der Blick auf die Johnstone Strait, das alles haben wir für uns allein. Gerade wird der Ort für den Saisonbeginn auf Vordermann gebracht, überall wird gehämmert und gesägt, geputzt und gewienert. Mitte Mai geht es los, hauptsächlich mit Whale Watching und Yachtbetrieb, jetzt aber sind weder Wale noch Boote noch Touristen zu sehen. Wir genießen die Ruhe vor dem (An-)Sturm und halten lieber die Einheimischen mit einem Plausch von der Arbeit ab.

Port McNeill und Port Hardy schenken wir nur kurz Beachtung. Sie sind mit 2 1/2 bzw. 4 Tausend Einwohnern zwar die größten Orte weit und breit (!) und Versorgungszentrum für den Inselnorden, aber sie sprühen nicht gerade vor Charme. Uns zieht es mehr Richtung Westküste, dorthin, wo noch weniger los ist. Die nächsten Tage werden wir hauptsächlich auf Logging Roads unterwegs sein, die das ansonsten leere Inselinnere durchziehen.

Diese von der Holzindustrie angelegten unbefestigten Pisten erfreuen uns, je nach Wetterlage, mit Staubfahnen oder Schmierseife, unabhängig vom Wetter aber mit zahllosen Schlaglöchern, in die Felix mit Wonne seine schweren Achsen plumpsen lässt. Kaum zu fassen, dass diese Wege für einige Dörfer hier oben die einzige Straßenverbindung sind.

Vom „Holzfällercamp“ Holberg, mitten in den Wäldern gelegen, nehmen wir Kurs auf Winter Harbour ganz im Westen. Das winzige Fischerdörfchen gefällt uns ausnehmend gut. Vom Pier aus kann man über die gesamte Bucht blicken und einen alten, wackeligen Boardwalk für einen Spaziergang gibt es auch. Nur leider bleibt uns trotz Sonnenschein das erste Eis der Saison verwehrt, der kleine Laden ist noch geschlossen, „off season“ eben.

Am äußersten Zipfel der Insel liegt das Fernwanderparadies Cape Scott Provincial Park. Hier können sich die ganz harten Outdoor-Enthusiasten tagelang auf einem 60 Kilometer langen, rauen Küstenwanderweg in der absoluten Einsamkeit austoben. Wir schnuppern nur mal ein bisschen davon und wandern zur San Josef Bay. Durch dichten Urwald geht es zu einem wunderbar langen Sandstrand. Leider gibt es keine Chance, Felix zum Campen hierhin zu holen… 😉

Coal Harbour und Port Alice sind zwar wesentlich bequemer über Asphaltstraßen zu erreichen, aber auch diese beiden Fischerorte sind noch nicht ganz aus dem Winterschlaf erwacht. Noch ist nicht die Zeit der Segler und Angler gekommen.

Von Port McNeill aus machen wir uns per Fähre auf zu einem Ausflug nach Cormorant Island. Das Inselchen von ganzen 1 mal 5 Kilometern ist Heimat der ´Namgis, die zum Stamm der Kwakwaka´wakw gehören (Anmerkung: ich bin nicht in der Tastatur hängengeblieben, das schreibt sich wirklich so…). In dem alten Fischerort Alert Bay mischen sich daher die Kulturen der First Nation und der späteren Siedler. Historische Holzhäuser wechseln sich mit Totempfählen ab, im Hafenbecken dümpeln die Boote und eine Promenade lädt zum Bummel am Wasser entlang ein.

Mit Alert Bay schließen wir unsere Runde durch den Norden von Vancouver Island ab. Jetzt soll es noch einmal mitten durch die Pampa gehen. Wir haben gehört, dass es von Woss aus irgendwie eine Verbindung nach Gold River geben soll, auch wenn die nicht auf unserer Karte zu finden ist. Und tatsächlich, wir sehen auf der einsamen Route durch die Wälder sogar hin und wieder ein Schild, das uns den Weg weist.

Über holprige Schotterpisten rumpeln wir gemächlich durch die geliebten Schlaglöcher gen Süden. Wald und abgeholzte Flächen wechseln sich ab, ein Bild, das sich so ziemlich auf der gesamten Insel findet.

Wenn wir an den dichten Regenwald an der Küste denken, mit all den umgestürzten Baumriesen und abgebrochenen Ästen auf dem Waldboden und all den Farnen und Moosen und langen Bärten, die alles überwuchern, stimmt uns das schon traurig. So hat es nämlich noch vor gerade mal einem Jahrhundert auf der gesamten Insel ausgesehen. Bevor die Holzindustrie kam.

Sicher gibt es immer noch solche Urwald-Gebiete, aber was abgeholzt wurde, ist unwiederbringlich verloren. Die Holzindustrie forstet zwar große Flächen wieder auf (nicht zuletzt, um für sich selber Nachschub zu produzieren), aber der sogenannte „second growth“, also der zweite Wuchs, hat nie die Chance, so wild und einzigartig zu werden, wie die ursprünglichen Urwälder.

Das einzige, was ich den abgeholzten Flächen abgewinnen kann, ist die freie Sicht in die Landschaft. Denn die Hügel und Berge, Seen und Tümpel bleiben ansonsten meist hinter den Bäumen verborgen.

Mitten in der Einsamkeit finden wir einen tollen Übernachtungsplatz am Vernon Lake. Wir haben die freie Wahl zwischen den rund 20 Campsites, denn außer uns hat sich noch kein Mensch hierhin verirrt. Im Sommer wird sich das sicher ändern.

Gold River, vor gerade einmal 50 Jahren aus dem Boden gestampft, verdankt seine Existenz wie viele andere Orte der Holzindustrie. Was als Camp begann, hat sich inzwischen zur – für kanadische Verhältnisse – Kleinstadt gemausert, sogar mit Hafen und Flughafen.

Von Gold River aus geht es auf landschaftlich wirklich schöner Strecke durch den nördlichsten Zipfel des riesigen, unberührten Strathcona Provincial Parks. Und dann sind wir wieder in Campbell River. Jetzt aber ab in den Süden! Diesmal zügig über den Highway 19, bis wir Richtung Tofino abbiegen.

In Port Alberni ist dann Schluss für diesen Monat. Die sympathische Hafenstadt gefällt uns richtig gut. Sie ist so ein klein bisschen wie San Francisco in Miniatur, nur ohne Wolkenkratzer: Ein ewiges Auf und Ab der Straßen, der „Pier 39“, über den man promeniert, heißt hier „Harbour Quay“ und das hausgemachte Eis ist zwar nicht vom Ghirardelli Square, aber fast genau so lecker.

Als Sonntagsausflugsziel suchen wir uns die McLean Mill N.H.S. aus, das einzige dampfbetriebene Sägewerk in Kanada. Kaum überraschend, dass wir das historische Camp fast für uns allein haben, so ganz neben der Saison…

Ob auf der Insel im Mai mehr los sein wird?!