Nevada
Der Monat fängt gleich erfolgreich für uns an. Das Problem einer neuen Versicherung für Felix hat sich nach zwei Tagen und ein bisschen Lauferei von einer Agentur zur anderen gelöst. Wir sind mehr als glücklich, als wir die neue Versicherungspolice in den Händen halten, denn das Versichern ausländischer Fahrzeuge wird in Amerika zunehmend schwieriger.
Nach diesem Erfolgserlebnis können wir die öde Wüstenstadt Pahrump schnell verlassen, weiter geht es, der Glitzermetropole Las Vegas entgegen. Das Thermometer zeigt nach wie vor enorme Temperaturen an und zufällig bekommen wir im Wetterbericht mit, dass für Las Vegas eine besonders große Hitzewelle angesagt ist. Das wollen wir uns nun nicht unbedingt antun und beschließen, diese paar Tage in den nahen Bergen auszusitzen, in der Hoffnung, dass die Gradzahlen in den höheren Lagen eher auszuhalten sind.
Nach einem Abstecher in den schönen Red Rock Canyon, der uns einen kleinen Vorgeschmack auf die roten Felsen von Utah und Konsorten bietet, erreichen wir die Spring Mountains und tatsächlich, hier ist es recht erträglich. Liegt es an der Höhe oder am Blick auf Skiliftanlagen und kümmerliche Schneereste? Wir wissen es nicht.
Nach Ende der prognostizierten Hitzewelle begeben wir uns von den Bergen hinab auf den staubigen Wüstenboden, nach Las Vegas, und kriegen einen Schlag. Die Wettervorhersage hat sich geändert, die Hitze von mehr als 47 Grad am Tage hält sich hartnäckig noch etwas länger. Hilft nun aber nichts, wir bleiben und freuen uns über den Pool auf dem Campingplatz. In dem Becken würden wir am liebsten die Nächte verbringen, denn die Temperaturen lassen uns kaum schlafen. Als Notbehelf kämpfen wir mit nassen Badetüchern statt Bettdecke gegen 38 Grad in der Nacht an.
In Las Vegas gibt es außer dem berühmten Strip und der alten Fremont Street nicht viel zu sehen, und so beschränken wir uns hauptsächlich auf das Casino-Hopping. Erst draußen gucken, dann drinnen mit Aircondition abkühlen, und weiter zum nächsten kunterbunten Megabunker. Die riesigen Beton- und Asphaltflächen speichern die Hitze und wir haben dank des Windes das Gefühl, vor einem Backofen zu stehen, dessen Ventilator auf Hochtouren läuft. Zum Glück ist es keine Waschküche…
Auf dem Weg nach Utah machen wir Halt im Valley of Fire State Park, der uns von vielen Reisenden ans Herz gelegt wurde und der uns wirklich ein paar wunderbare Tage beschert. Rote Felslandschaften werden wir zwar noch ausreichend zu sehen kriegen, aber hier im Valley zeigt sich die Natur von ihrer besonders farbenfrohen Seite. Rot, Gelb, Pink, Weiß und alles, was dazwischen liegt, wird hier präsentiert.
Utah
Und dann endlich Utah. Hier erreichen wir zügig den Zion National Park, leider ist Wochenende und der ohnehin schon stark besuchte Park erst recht proppenvoll. Also beherzigen wir den Tipp eines netten Reisenden und verbringen die ersten Tage auf der weniger bekannten, aber nichtsdestoweniger schönen Westseite des Parks. Über die Kolob Terrace Road geht es hinauf in die Berge zum gleichnamigen Reservoir und wieder zurück. Der Rückweg indessen verläuft um einiges geräuschvoller, denn leider hat sich das Auspuffrohr von seinem angestammten Platz verabschiedet und hängt lose rum. Zum Glück erst hinter der Motorbremse, denn die ist auf der serpentinenreichen Strecke bergab dringend nötig. Im nächsten Ort ist schnell ein Schweißer gefunden und der Schaden bald behoben. Als Resultat krabbelt ein dreckverschmierter Stephan unter dem Motorblock hervor, aber das Rohr ist wieder da, wo es hingehört.
Das Wochenende ist inzwischen vorbei, also rein in den Zion Canyon, den Hauptbereich des Nationalparks, dahin, wo alle hinwollen. Und leider auch sind. Unter der Woche ist es keinen Deut leerer, den Gedanken, auf dem Campingplatz unterzukommen, geben wir schnell auf. Da der Scenic Drive durch den Canyon für den privaten Autoverkehr gesperrt ist, ist es uns eh egal, ob wir mit Felix in den Park können oder nicht. Die kostenfreien Shuttlebusse fahren überall.
Wir nutzen alle Busstopps auf der Rundstrecke durch den engen, von hohen, farbenprächtigen Felswänden eingerahmten Canyon, um entweder nur kurz zu gucken oder auch mal eine kleine Wanderung zu unternehmen. Für unsere Übernachtungen haben wir ganz in der Nähe außerhalb des Parks ein schönes und vor allem ruhiges Fleckchen ausfindig gemacht. Pendeln wie bereits im Yosemite, so ist das eben im Sommer zur Hochsaison.
Am letzten Tag im Nationalpark starten wir besonders früh, denn mir spukt noch immer der berühmte Angels Landing Trail im Kopfe rum. Eine große Wanderung muss schließlich sein, und diese 8-Kilometer-Tour gehört zu den populärsten und spektakulärsten. Vier Kilometer steil und serpentinenreich hinauf, alles halb so wild, aber das letzte Stück kostet mich dann doch einige Nerven.
Der berühmte Aussichtspunkt Angels Landing liegt auf der äußersten Spitze eines Bergrückens, der sich in das Tal schiebt und den Aufstieg mit einem tollen Panoramablick in beide Richtungen des Tals belohnt. Aber der Aufstieg hat es in sich: Klettern über Felsen, auf einem schmalen Pfad entlang, nur gesichert durch eine Kette zum Festklammern. Links und rechts fällt der Blick meist ungehindert senkrecht ein paar Hundert Meter tief ins Tal. Das ist für mich als ausgesprochene Flachlandtirolerin schon ein Grund, weiche Knie zu bekommen, was sich erst legt, als ich am Nachmittag wieder bei Stephan und Felix ankomme. Nach dieser Gratwanderung ist mir klar, warum der Aussichtspunkt „Angels Landing“ heißt, Landeplatz der Engel, weil nur Engel dorthin gelangen können. Wenn man mal von den unverbesserlichen Touristen absieht.
Am nächsten Tag verlassen wir den Zion National Park Richtung Osten. Nach einigen Serpentinen geht es durch einen Tunnel, der, als er vor hundert Jahren gebaut wurde, ein Meisterwerk der Ingenieurskunst darstellte. Leider hat damals noch niemand die heutigen Fahrzeuggrößen bedacht. So wird heute der Tunnel im Einwegprinzip befahren, damit die großen Vehikel freie Fahrt über den Mittelstreifen genießen und nicht irgendwo anecken. Felix ist der Erste in unserem Konvoi und kaum sind wir in der Röhre, stehen wir im Stockfinsteren. Ein Kilometer Blindflug durch den engen, niedrigen Schlauch, nur spärlich reflektiert der dünne Mittelstreifen als Orientierungshilfe. Ansonsten Dunkelheit, unser Licht wird einfach aufgesogen. Hätten die in den letzten hundert Jahren nicht wenigstens in ein paar Glühlampen investieren können?
Am anderen Ende des Tunnels werden wir geblendet, nicht nur vom hellen Tageslicht, sondern auch von der Schönheit der Landschaft, die sich vor uns auftut. Eine tolle Fahrt zwischen spektakulären rot-weißen Felsen und Bergen erwartet uns und ich möchte am liebsten hinter jeder Kurve halten und fotografieren.
Kaum haben wir den Zion National Park verlassen, ist es auch schon vorbei mit dem landschaftlichen Spektakel. Wir machen kurz Pause in Kanab und begeben uns auf den weiteren Weg Richtung Grand Canyon. Da wird es auf jeden Fall wieder spannend.
Arizona
Nach kilometerlanger Ödnis, die uns an das Grenzgebiet zu Mexiko erinnert, klettert die Straße auf das Kaibab Plateau und wir zuckeln plötzlich durch dichten Wald, als ob wir schon in Kanada wären. Zwischendurch breiten sich weite Moorwiesen in saftigem Grün aus, wir rollen gemächlich voran und genießen die Landschaft. Dann aber heißt es scharf bremsen, denn wir sind am North Rim des Grand Canyon angekommen.
Vor uns liegt die riesige, weitverzweigte Schlucht, genau so eindrucksvoll wie an der berühmteren Südseite, aber weitaus weniger überlaufen, vielleicht, weil die Nordkante umständlicher zu erreichen ist. Hier können wir in Ruhe wandern und schauen, ohne von Busladungen an Touristen überrannt zu werden. Der Besuch des North Rim ist zwar mit viel Fahrerei verbunden, aber es gibt einige schöne Aussichtspunkte, die sogar hin und wieder den Blick auf den grünen Colorado tief unten in der roten Schlucht freigeben.
Wir bleiben bei unserer Weiterreise dem Colorado River treu, gehen bei Lee Ferry sogar drin baden (zumindest mit den Füßen, kalt!) und landen schließlich bei Page am Horseshoe Bend, wo der Fluss sich in dramatischer Biegung durch das Felsplateau gearbeitet hat.
Page als Stadt ist weder etwas fürs Auge noch für die Kameralinse, sondern eher was für Dieseltank und Kühlschrank. Aber am Lake Powell, der in nackter Felslandschaft aufgestaut wurde und irgendwie etwas skurril wirkt, kann man schön ausspannen.
Ein Bonbon hat Page noch zu bieten, auch wenn uns der Drops erst etwas sauer daher kommt. Der Antelope Canyon, also DER Slot Canyon schlechthin, liegt auf Indianer-Reservatgebiet und kann nur im Rahmen einer teuren, geführten Tour besucht werden. Wir überlegen lange hin und her, aber dann machen wir es doch.
Gegen fast 50 Dollar pro Person wird die Kundschaft mit umgebauten Jeeps im Affenzahn zum Eingang des Canyons chauffiert, so weit so gut. Dass die Tour zu Fuß durch den Slot Canyon dann jedoch in unvermindertem Tempo weitergeht, haben wir uns nicht ganz so vorgestellt. Zusammen mit geschätzten 15 weiteren Jeep-Ladungen werden wir durch die schmale Schlucht gescheucht, es ist eng, es ist voll, es ist ein Gewusel und hinter uns unser „Kameltreiber“ vom Fahrersitz, der uns immer wieder zur Eile mahnt. Eigentlich unmöglich, das Naturwunder auf sich wirken zu lassen. Aber trotzdem nehmen wir irgendwie etwas von den engen Durchlässen, den faszinierenden Formen, den leuchtenden Rottönen, den berühmten „Beams“, wenn in der Mittagszeit wenige gebündelte Sonnenstrahlen den Weg in die Schlucht finden, auf und auch mit. Zum Glück.
Utah
Ganz richtig, wir sind schon wieder in Utah! Vom Lake Powell aus wollen wir den Bryce Canyon ansteuern und wählen dafür den Weg durch das Grand Staircase Escalante National Monument. Die einsame Cottonwood Road bringt uns einmal quer hindurch, durch das völlig unberührte Hinterland. Links kunterbunte Bergketten, rechts ockergelbe Felsen, und mittendrin eine holprige, staubige Sand- und Schotterpiste, auf der wir gemächlich gen Norden zuckeln. Aber lieber Staub als Schlamm, denn bei Regen geht hier, wie wir hören, nichts mehr.
Am Nordende angekommen, machen wir einen Abstecher in den Kodachrome Basin State Park. Wem der Begriff „Kodachrome“ irgendwie bekannt vorkommt: Ja, hat tatsächlich mit dem guten, alten Kodak-Farbfilm zu tun. Der Park ist so farbenfroh, dass er vor langen Jahren von einer National Geographic Society Expedition nach diesem Fotoartikel benannt wurde.
Vom Farbfilm-Park ist es nicht mehr weit bis zum Felsnadelpark, dem Bryce Canyon. Der verblüfft uns zunächst damit, dass wir – in der Hauptsaison(!) – einen freien Campingplatz ergattern. Von dort aus ist es ein kurzer Hüpfer bis zum Amphitheater, der berühmten Plateauabbruchkante. Hier hält ein steinernes Heer aus Säulen und Stelen, Türmen und Bögen der Erosion so gut es geht stand und begeistert jedes Jahr Millionen Besucher, so auch uns.
Von dem Wanderweg oberhalb der Kante ist der Blick in diese bizarre Landschaft umwerfend, aber noch beeindruckender ist es fast, als kleiner Mensch zwischen diesen Felsgebilden hindurch zu laufen. Gesagt, getan. In den frühen Morgenstunden machen wir uns auf die Wanderung durch das Felslabyrinth, denn mittags, wenn die Sonne senkrecht vom Himmel brennt, hält man es zwischen den Steinsäulen schon kaum noch aus. Trotzdem stapfe ich am letzten Tag noch einmal los, drehe eine letzte große Runde durch das „Theater“. Stephan schüttelt nur noch mit dem Kopf, Petra kriegt mal wieder nicht genug.
Um das Besuchsprogramm abzurunden, fahren wir mit Felix die Panoramastrecke ab und begutachten die übrigen Aussichtspunkte, die der Park zu bieten hat. Hierhin verirren sich naturgemäß nicht mehr so viele Touristen, denn der Hauptanziehungspunkt ist nun mal das grandiose Amphitheater, aber das Naturschauspiel der Felsnadeln zieht sich noch viel weiter an der Plateaukante entlang.
Auch uns zieht es weiter, Richtung Osten, denn als nächster Nationalpark steht das „Capitol Reef“ auf dem Plan. Dahin bringt uns die Utah State Route 12, eine der wenigen „All-American Roads“, jener Straßen, die sich von den übrigen ordinären Asphaltbändern durch außerordentlich reizvolle Landschaft drum herum abheben. Und tatsächlich, die Strecke ist schön abwechslungsreich. Zunächst begleiten uns die inzwischen schon wohlbekannten bunten Berge des Colorado Plateaus.
Im Mini-Dorf Escalante schweifen wir kurz nach Süden auf die Hole-in-the-Rock-Piste ab, um den lustigen Devil´s Garden zu erkunden. Zurück auf der 12, steht uns ein Stück weiter plötzlich eine Gratwanderung bevor, als die Straße sich über einen schmalen, rundgeschliffenen Felsrücken schlängelt.
Noch ein paar Kilometer weiter, und die Landschaft ändert sich grundlegend. Die Straße windet sich hinauf in die Berge und statt Rot und Gelb müsste nun Grün dominieren, doch leider ist es eher Grau, in das sich der dichte Wald hüllt. Wir halten es kaum für möglich, aber auch hier gibt es hin und wieder schlechtes Wetter. Haben wir fast vergessen… Für die Sehnerven ist dieses Grau indessen eine wahre Entspannung, nach dem Farbspektakel der letzten Wochen.
In dem kleinen Ort Torrey angekommen, liegt der Monat Juni nun hinter uns und der Capitol Reef National Park quasi vor uns. Da es aber in den nächsten Tagen in Bezug auf das Wetter eher ungemütlich werden soll, lassen wir uns erst einmal in dem Dorf häuslich nieder. Langeweile kommt auch hier nicht auf, denn der Ort macht sich parat für das große Festwochenende zu Ehren des Unabhängigkeitstages. Das Capitol Reef kann ruhig noch bis zum nächsten Monat warten.